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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman
Autoren: Bernhard Aichner
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hinüber zu Jo.
    Er küsste ihn auf die Wange und begann, die schmutzigen Lammfellrollen auszuwaschen. Jo zog altes Leinen über einen Spannrahmen. Es musste altes sein. Mosca schaute ihm vorsichtig zu, wie er es mit Nägeln am Holz befestigte. Er wusch die Rollen aus und schämte sich. Er musste ihm die Wahrheit sagen.
    Morgen. Bestimmt.
    Jo befestigte das Leinen auf dem Holz. Es war fast fünfzig Jahre alt.
    Er hatte inseriert. Er hatte diese Dame gefunden.
    Sie besaß einen Laden, den sie nach dem Tod ihres Mannes geschlossen und nie mehr betreten hatte. Sie hatte alles so gelassen, wie es war. Auf dem Verkaufspult stand noch ein schmutziges Saftglas. Ihr Mann war einfach umgefallen und tot gewesen. Seitdem stand ihre Zeit still. Erst, als sie die Anzeige las, dass jemand Leinen suchte, sehr altes Leinen, ging sie zum ersten Mal wieder hinunter in den Laden.
    Lange zögerte sie, aber sie ging.
    Es war ein Gemischtwarenladen, sie hatten alles verkauft, vom Waschmittel bis zum Tauchsieder. Der Laden war sehr beliebt gewesen, das halbe Viertel hatte sich oft versammelt im Verkaufsraum, um bei einem Glas Eierlikör das Neueste auszutauschen. Es war der Lebensinhalt ihres Mannes gewesen. Hier bin ich glücklich, hatte er gesagt und mit der flachen Hand auf den Tresen geschlagen. Dann ist er umgefallen und war tot. Sie wollte, dass alles so bleibt, wie es war.
    Geld hatte sie, das Haus gehörte ihr, sie wollte ihm den Laden nicht wegnehmen, aber sie brachte es auch nicht fertig hineinzugehen. Mit jedem Tag, der verging, wurde die Angst noch größer, die Erinnerung an die glückliche Zeit würde sie erschlagen.
    Als sie Jos Anzeige las, fielen ihr die weißen Ballen wieder ein, im Regal hinter der Kasse. Ihr Mann hatte immer gesagt, Leinen musst du haben, und Segeltuch auch.
    Als sie die Treppen hinunterging und die Hintertüre aufsperrte, war ihr warm ums Herz. Es klopfte laut unter ihrer Haut, als sie den Schlüssel drehte.
    Alles war voller Staub, zentimeterhoch lag er auf der Ware. Über vierzig Jahre lang war hier niemand mehr gewesen. Sie sperrte auf, öffnete die Fensterläden und ließ Licht in den Raum. Trotz des Drecks war er immer noch hübsch, der Laden. Sie setzte sich auf einen Stuhl und begann sich zu erinnern. Es tat nicht weh, im Gegenteil, es war schön. Lange saß sie einfach da, dann stieg sie auf den Stuhl, holte das Leinen herunter und staubte es ab.
    Gutes Leinen hält ewig, hatte ihr Mann immer gesagt.
    Dann rief sie Jo an.
    Er konnte sein Glück nicht fassen, er ließ alles liegen und stehen und traf die alte Frau in ihrem Geschäft. Was er sah, begeisterte ihn, ein Raum voller Geschichte, alles war da, es war eine andere Welt, in die er hineinging, von der Straße fünfundvierzig Jahre in die Vergangenheit zurück. Er stand da und schaute. In so einem Laden hatte Klein vielleicht sein Segeltuch gekauft. All das gab es damals. Er schaute lange. Die Frau ließ ihm Zeit. Sie selbst schaute auch.
    Jo ging von Regal zu Regal, nahm vieles in die Hand, blies Staub ab. So viele alte Dinge hatte er noch nie an einem Ort gesehen.
    Er war begeistert. Glücklich.
    Das Leinen lag am Tisch. Er befühlte es, ehrfürchtig nahm er es in die Hand.
    Es ist achtundvierzig Jahre alt, sagte die Frau, ich habe es im Einkaufsbuch gefunden, und es ist immer noch gut.
    Sie lächelte.
    Gutes Leinen hält ewig, sagte sie.
    Jo nahm alles mit. Segeltuch, Leinen, Nägel, alles, was er brauchen konnte, um seine Bilder so nahe wie möglich zurück in Kleins Zeit zu bringen. Es war ein guter Tag.
    Die Frau schenkte es ihm. Alles, was er tragen konnte. Wenn ich Ihnen eine Freude machen kann, tue ich das gerne, sagte sie.
    Sie schaute sich um im Raum, sie fühlte sich wohl. Sie hatte keine Angst mehr.
    Jo umarmte sie. Er stand lange da und umarmte sie. Sie hatte ihre Augen geschlossen und spürte ihren Mann, wie er sie festhielt, wie er sie umarmte in seinem Laden, kurz nachdem geschlossen war. Jo spürte, wie sie sich anlehnte, wie geborgen sie sich fühlte, wie gut es ihr tat.
    Ich bin Ihnen sehr dankbar, flüsterte er.
    Ich Ihnen auch, flüsterte sie.
    Dann rief er sich ein Taxi und fuhr zurück in sein Atelier.
    Das nackte Leinen im Kofferraum. Er spannte das Leinen um einen kleinen Holzrahmen, dessen Kanten er rund geschliffen hatte. Mosca wusch die Rollen aus. Ein schlechtes Gewissen plagte ihn, er würde diesen Mann morgen treffen, er würde Jo hintergehen. Er tat es bereits. Jo lächelte ihn an. Er lächelte zaghaft
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