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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman
Autoren: Stephen Hunt
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    A melia Harsh wischte sich die schweißnassen Hände an ihrer Lederhose ab, dann packte sie Mombikos Arm, dessen Finger sie schraubstockartig umklammerten. Der ehemalige Sklave zog sie auf den Felsvorsprung, und die Adern auf seinen Armen traten dick hervor, als er ihr das letzte kurze Stück bis zum Gipfel emporhalf. Zänkische Stimmen wie das Klappern von Sandkäfern klangen hinter Amelia den brennend heißen Berghang hinauf.
    »Du kletterst besser als sie, sogar mit deinem vergifteten Arm«, sagte Mombiko.
    Amelia rieb sich die gerötete Wunde an ihrer rechten Schulter, eine Schulter, die – ebenso wie ihre linke – so gewaltig wie die eines Gorillas war. Dies lag nicht am Stich des Skorpions, der vor zwei Nächten in ihr Zelt gekrochen war, sondern war auf Weltensänger-Hexerei zurückzuführen. Ihre ausgeprägten Bizepsmuskeln hätten eine Tür aus den Angeln reißen oder einem Kamel den Schädel einschlagen können, doch ihre ganze Kraft war durch den verdammten Giftstachel des Insekts so gut wie nutzlos geworden. Und dann hatte der
Skorpion ausgerechnet auch noch ihren Pistolenarm erwischt.
    Mombiko reichte der Professorin eine herrlich kühle Wasserflasche, und sie trank gierig einen großen Schluck, bevor sie den Abhang hinunterblickte, um nach den Macanalie-Brüdern Ausschau zu halten. Sie waren noch eine Minute vom Gesteinssims entfernt, bedachten sich mit Flüchen und stritten über die besten Stellen, an denen man mit Füßen und Händen Halt finden konnte, um zum Gipfel hinaufzuklettern.
    »Die Brüder haben uns durch die Nördliche Wüste gebracht«, sagte Amelia. »Es gibt nicht viele Oberländer, die das geschafft hätten.«
    »Du weißt, wo diese drei Abschaumgestalten ihr Wissen über die Sandgebiete erworben haben, Mma«, sagte Mombiko in anklagendem Ton. »Die Brüder führen Händler in beiden Richtungen über die Grenze – und vermeiden so im Norden die Finanzbeamten des Königreichs und im Süden die Steuereintreiber des Kalifen.«
    Amelia deutete auf das Meer windgeformter Dünen, das sich unter ihnen ausbreitete. »Es ist ja kaum eine nennenswerte Grenze. Davon abgesehen weiß ich über ihre Nebengeschäfte ebenso gut Bescheid wie du. Sie fangen geflohene Sklaven wieder ein, die es bis ins Oberland geschafft haben, schleppen sie zurück und kassieren dann die Prämie, die der Kalif auf ihren Kopf ausgesetzt hat.«
    »Sie sind keine guten Männer, Professorin.«

    Amelia überprüfte den Riemen des Gewehrs, das sie sich auf den Rücken geschnallt hatte. »Sie sind die Besten, die wir ohne die Hilfe der Universität überhaupt anheuern konnten.«
    Mombiko nickte und hängte sich die kostbare Wasserflasche wieder an den Gürtel.
    Der Blitz sollte die verdammten Pedanten der Hohen Tafel an der Universität treffen! Ein Miniaturluftschiff hätte die Wüste in einem Tag überqueren können, doch so lag nun schon ein wochenlanger Marsch unter sengender Sonne hinter den Teilnehmern von Amelias Expedition. Das College von Saint Vine’s hatte es nicht riskieren wollen, dass ein Luftschiff mit all seiner Technologie in die Hände des Kalifen fiel. Und für die Leitung des Colleges war das eine willkommene Entschuldigung, um ihr bei der Verfolgung ihrer Studien, der sie sich mit größter Leidenschaft widmete, erneut Steine in den Weg zu legen.
    »Du wartest hier«, sagte Amelia zu Mombiko. »Hilf ihnen hoch.«
    »Und wenn sie irgendwelche Tricks versuchen?«
    Sie deutete auf seine Pistole und den Patronengurt voller Kristallmunition, den er über seine weiße Kleidung geschlungen hatte. »Was glaubst du, wieso ich dafür gesorgt habe, dass wir vorausklettern? Ich würde keinem Macanalie mein Sicherungsseil anvertrauen.«
    Eine Krähe krächzte in einiger Entfernung. Amelia beschattete die Augen und suchte den Himmel ab. Blau, wolkenlos. Frei von allen verräterischen Punkten rund
um die Sonne, die auf die Anwesenheit jener Echsengeschöpfe hindeuteten, mit denen die Kundschafter des Kalifen durch die Lüfte flogen. Für die Kanonen eines Luftschiffs stellten sie keine Bedrohung dar, aber die unnatürlichen Wesen konnten ohne weiteres über fünf Reisende herfallen, ihnen im Sinkflug das Rückgrat herausreißen und ihre zerfetzten Überreste bis zu einem der cassarabischen Militärposten schleppen. Wieder dieses Krächzen. Jetzt entdeckte sie einen dunklen Umriss, der vor dem Berg langsam höher stieg. Ein Sandfalke. Sie entspannte sich. Der Raubvogel suchte sicherlich auf den Dünen unter
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