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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman
Autoren: Stephen Hunt
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der ihre Knochen verdrehen und verunstalten würde, bis sie wie ein menschlicher Eichbaum in einen der duftenden Strafgärten des Kalifen gebracht wurde.
    »Er mag ja viele hundert Jahre alt sein«, sagte Amelia, »aber ich will euch einmal ein paar Wahrheiten über euren Herrscher sagen. Zum einen ist der Kalif viel zu
langweilig, als dass ich auch nur eine Stunde hören wollte, was er zu sagen hat, von einer ganzen Lebenszeit in qualvoller Gefangenschaft gar nicht zu reden. Zweitens ist er nicht einmal ein Mann. Er ist eine Frau, die sich als Mann kleidet, noch dazu eine verdammt hässliche. Wie sie euch Wüstenjungs all die Jahre genarrt hat, kann ich nicht begreifen.«
    Die Soldaten zogen angesichts dieser Gotteslästerung heftig die Luft ein.
    »Und drittens: Beim nächsten Mal, wenn ihr hinter mir herschleicht und mich überwältigen wollt, solltet ihr euch selbst eine verdammte Lampe mitbringen!«
    Mombiko löschte den Gasdorn, und nach einem letzten knisternden Aufflackern lag die Kammer in völliger Dunkelheit. Amelia schlug auf den Hebel an der Seite des Steuerrads, und auf das Fauchen der federbetriebenen Speere, die den Bug des Wagens geschmückt hatten, folgten Rufe, Schreie und das ekelhafte dumpfe Aufschlagen, mit dem die Stahlspitzen ihr Ziel fanden. Als Nächstes ertönte das Splittern von Glas. In der Waffe eines zusammenbrechenden Wüstensoldaten zerbarst eine Kristallpatrone und erleuchtete mit ihrer Explosion für einen kurzen Augenblick das Gemetzel. Die Professorin konnte lediglich erkennen, dass Mombiko an ihr vorbei auf den Ausgang zulief. Jemand versuchte sie festzuhalten, und sie hörte, wie ein Dolch geräuschvoll aus der Scheide glitt. Mit dem linken Arm machte sie eine abwehrende Bewegung in die Richtung, in der sich die Kehle ihres Angreifers hätte befinden können –
eine Aktion, die mit einem Knacken belohnt wurde und mit einem Körper, der gegen den ihren sackte. Amelia schob den Leichnam zur Seite und fand die Stufen, die aus dem Grab hinausführten, wobei sie beinahe über einen aufgespießten Soldaten gefallen wäre.
    Einer ihrer verräterischen Führer schrie nach seinen Brüdern und brüllte, dass er die Juwelen im Sarkophag zusammenkratzen wollte. Mit unsicheren Bewegungen tastete Amelia in der Mauernische herum, in der sich das Paneel befand; sie löste die Hebel, und die Tür begann sich mit rauem Klack-klack-klack wieder aus der Decke herabzusenken. Sie hatte sich und Mombiko ein paar Minuten Zeit gekauft, während die überlebenden Soldaten des Kalifen im Dunkeln der Kammer nach dem Rad suchen mussten, das die Tür von innen öffnete. Amelia keuchte, als sie die Treppe drei Stufen auf einmal nehmend emporrannte. Verdammt, so steil und so lang war ihr diese Treppe beim Abstieg nicht vorgekommen. Und ihr Gewehr – eine zuverlässige jackalianische Brown Bess – würde ihr, da sie nur einen Arm gebrauchen konnte, wenig nützen.
    »Professorin!«
    »Lauf weiter, Mombiko. Vorsicht an dem Gesteinssims. Vielleicht haben die Männer des Kalifen hier draußen Wachen postiert.«
    Sie zog eine Glaspatrone aus ihrem Gurt, schlug sie gegen die Mauer, so dass sich der Sprengkapselsaft der zwei Kammern vermischte, dann bückte sie sich im Laufen und ließ die Kartusche über den Steinboden den
Gang hinunterrollen. Eine Wand sengender Hitze wartete auf sie, als sie aus dem Grab trat; es war Mittag, die Sonne stand im Zenit. Dem Zirkel sei Dank, hier draußen waren keine Wüstenkrieger zu sehen.
    Mombiko spähte über die Abbruchkante. »Dort stehen ihre Reittiere. Soldaten sehe ich keine.«
    Amelia blickte ebenfalls nach unten. Sandfüßler waren aneinandergebunden worden, Geschöpfe mit lederartiger Haut und Hunderten insektenähnlicher Beine: Dem Erfindergeist der Mutterschoßmagier dieses hitzegepeinigten Landes wurde weder durch ethische Überlegungen noch durch die zirklistische Lehre, die man in Amelias Heimat befolgte, Einhalt geboten. Die Professorin begann mit dem Abstieg und stützte sich dabei vor allem auf den gesunden Arm, und die Schwerkraft, aber auch das Blut, das vor Aufregung durch ihre Adern pulste, halfen ihr. Ihr Gewehrarm brannte vor Schmerz. Sie war unbeabsichtigt gegen einen Felsvorsprung gestoßen, und das vom Skorpion vergiftete Fleisch vermittelte ihr das Gefühl, als übten die Folterknechte des Kalifen jetzt schon Rache an ihrem Körper. Fast hatten sie den Fuß der Klippe erreicht, als eine Explosion zu hören war. Jemand war auf die beschädigte
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