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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman
Autoren: Stephen Hunt
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bis er sich nicht mehr bewegte. Sein Geist schwebte nach Süden, zurück in die riesigen rubinroten Wälder seiner Heimat. Aber ihr Weg führte nach Norden, nach
Jackals, in die Republik mit König. In ihr grünes, gesegnetes Land. Ein Zuhause, das sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr wiedersehen würde.
    Amelia schloss ihm die Augen. »Ich werde bald schon bei dir sein, Mombiko Tibar-Wellking.« Sie nahm die Wasserflasche von dem toten Kamel und ließ den Leichnam ihres Freundes zurück, den Schirm immer noch wie eine Lanze über die Brust gelegt.
    Die Sterne des Nachthimmels würden ihr den Weg direkt nach Norden weisen, sie würden sie aber nicht zu den Wasserlöchern führen, von denen die Macanalies gewusst hatten, oder sie die vielen zerstrittenen Stämme meiden lassen, die sich auf dem tückischen Sand bekriegten. Amelia Harsh trieb ihr Kamel weiter an und versuchte, an den Traum der verlorenen Stadt zu denken.
    An die Stadt der Lüfte.
     
    Einen Fuß vor den anderen setzend schleppte sie die letzte leere Wasserflasche hinter sich her, die mit ihrem Riemen an ihrem Stiefel hing. Es erforderte zu viel Kraft, sich zu bücken und sich von dem leeren Behältnis zu befreien. Dunkle Flecken wirbelten vor der glutheißen Sonne. Selbst die Hundsvögel wussten, dass sie tot war und in einigen Stunden eine Mahlzeit für die Gärtner des Sandes darstellen würde. Jedes Mal, dass ihre abgewetzten Lederstiefel die sengenden Dünen berührten, schienen sie ihr etwas mehr Leben auszusaugen. Amelia bestand nur noch aus Entschlossenheit, ein
ausgedörrter Körper, der durch die Nördliche Wüste humpelte – nein, die Südliche Wüste, nenne sie bei ihrem jackalianischen Namen, Amelia. Einem Ziel entgegen, das genauso gut auf der anderen Seite der Welt hätte liegen können.
    Mit ihren trockenen, sandverkrusteten Augen erkannte Amelia in einiger Entfernung einen Schimmer, sah die Hitze, wie sie sich in Lagen über die Dünen schob und drehte, über weiß gebleichtem Sand, über dem die Mittagssonne nun ihren höchsten Punkt erreicht hatte. Wieder das Trugbild eines Wadis, um sie zu quälen? Nein, diesmal war es kein Wasser. Die Luftspiegelung zeigte ein etwa vierzehnjähriges Mädchen, das aus einer Tür herauskam und seinem Vater in den Garten folgte. Die Szene hatte etwas Vertrautes. Die verdorrten Verbindungen ihres Hirns versuchten sich darauf zu besinnen, woher sie dieses Mädchen kannte.
    »Was hat der Mann am Tisch gemeint, Papa, als er sagte, dass eine Beleihung des Hauses nicht ausreichen würde, um die Schulden zu tilgen?«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte der Vater des Mädchens. »Nur Geschäfte, eine geschäftliche Angelegenheit, bei der es um Münzen und sehr weltliche Dinge geht.«
    »Aber er sprach doch vom Schwammhaus?«
    »Das ist kein Ausdruck, wie man ihn in guter Gesellschaft verwendet, meine Kleine. Ich habe einige meiner Freunde im Schuldgefängnis besucht«, erklärte der Mann. »Gute Menschen. Bei den harten Zeiten, die für
die Kaufleute in diesem Jahr angebrochen sind, ist es ein Wunder, dass es in meinen Kreisen überhaupt noch Leute gibt, die woanders als im Schuldturm residieren. Es spielt keine Rolle.«
    »Ich habe Angst, Papa, diese Männer, die gestern ins Haus gekommen sind …«
    »Die Gerichtsvollzieher können dir nicht wegnehmen, was dir nicht gehört.« Der Vater blickte zur Tür hinüber, aus der noch die Unterhaltung der Dinnergäste drang, und zog eine abgewetzte, alte Nuschelrauch-Pfeife hervor. Er entzündete ein wenig Kraut mit dem in der Pfeife eingebauten Stahlfeuerstein. »Deswegen ist deine Tante letzte Woche zu Besuch gekommen und mit viel mehr Koffern wieder abgereist, als sie in ihrer Kutsche mitgebracht hatte. Sie hat die Antiquitäten, die ich über die Jahre gesammelt habe, und natürlich auch die Bücher mitgenommen. Die Bücher muss man immer retten. Das sollte reichen, damit du deine Ausbildung beenden kannst.«
    »Du wirst aber nicht ins Schwammhaus geschickt, oder?«
    »Daran möchte ich nicht einmal denken«, sagte der Vater. »Niemand sollte an einen solchen Ort gehen müssen. Wir haben im letzten Jahr versucht, im Parlament für genügend Unterstützung zu werben, um diese elenden Häuser endlich abzuschaffen, aber es hat nicht geklappt. Es gibt immer noch zu viele, die wollen, dass man Exempel statuiert, und zwar möglichst hart. Die Hüter haben vergessen, dass es in der Geschichte eine
Zeit gab, in der allein das Bestehen solcher Einrichtungen
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