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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman
Autoren: Stephen Hunt
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doppelt so hoch waren wie die beiden Jungen, vier kleinere Räder weiter hinten an der Fahrgastkabine, und auf dem Dach befand sich noch ein ovaler Ausgucksitz aus weichem, rotem Leder.
    »Das stammt aus keiner jackalianischen Werkstatt«, sagte William.

    »Catosia«, vermutete Ducker. »Die Stadtstaaten.« Jeder wusste, dass dort die besten pferdelosen Kutschen gebaut wurden. Im Gegensatz zu ihren jackalianischen Gegenstücken neigten die Hochspannungsantriebe der Hersteller aus dem Catosischen Bund nicht dazu, gelegentlich zu explodieren und den Wagen in kleinsten Einzelteilen über die ganze Straße zu verteilen. Der Presser, der den Verkehr auf der Kreuzung regelte, hielt den Strom der Zweispänner, Karren und Hochräder auf der Ollard Street an und winkte dem Verkehr auf der anderen Seite von Overhall Corner. Ducker nahm an, dass der schwarz gekleidete Polizist das Fahrzeug stoppen wollte, um es wie alle anderen Fußgänger mit großen Augen zu bestaunen.
    »Von denen kommt nicht viel Pferdemist«, meinte Will neidisch.
    Ducker kam eine Idee. Eine Möglichkeit, sich einen Penny zu verdienen und gleichzeitig den schönen Wagen genauer in Augenschein zu nehmen. Er näherte sich der Pferdelosen und nahm seine Mütze ab. »’tschuldigung, Sir, soll ich Ihre Gaslaternen putzen, Sir? Sehen bisschen rußig aus.«
    Die Fahrerin wollte aus der Steuerkabine klettern, und Ducker sah nun auch mehr als die kurzen blonden Locken und die blauen Augen; er betrachtete ihren Körper. Sie war nicht nur eine Schönheit, sondern hatte den Körperbau eines Menschen, der viel Zeit im Kraftraum verbrachte. Sie war eine Peitsche, eine gedungene Kämpferin.

    Der einzige Fahrgast, der in dem Wagen saß, wirkte erheitert. Jung, gut aussehend und ebenso blond wie seine Fahrerin, umgab ihn jene natürliche Autorität, die nur den Hochwohlgeborenen eigen war. Einer der Handelsfürsten. »Sie können sitzen bleiben, Veryann. Ein kleines bisschen Geschäftssinn ist äußerst unterstützenswert. Leg los, kleiner Mann.«
    Ob das Reiben mit seiner Mütze den Dreck von den Lampen wischte oder eher noch welchen hinzufügte, war schwer zu sagen, aber Ducker tat sein Bestes. Er ignorierte den entnervten Gesichtsausdruck der Fahrer-Leibwächterin  – die ihm offenbar eine andere Art der Entlohnung zugedacht hätte – und grinste den Handelsfürsten hoffnungsvoll an. Der Mann warf eine Münze zu Ducker hinunter, und der Straßenjunge fing sie auf, bevor er sich auf den Bürgersteig zurückzog und sich die Wagen und Kutschen wieder in Bewegung setzten.
    »Verdammter Zirkel«, schimpfte William. »Du hast vielleicht Nerven.«
    »Guck mal, eine Krone«, sagte Ducker und drehte die Münze zwischen den Fingern. »Gar nicht schlecht für eine Minute Arbeit, oder?«
    »Hast du die Fresse von dem Kerl nicht in den Zeitungen gesehen, Ducker? Hast du gar keine Ahnung, an wen du dich da angewanzt hast?«
    Ducker machte ein verärgertes Gesicht. Sein Freund wusste, dass er des Lesens unkundig war – er hatte seine Bildung auf den Straßen Middlesteels genossen. Die Schmierenblättchen sah er nicht einmal an. Sie erinnerten
ihn lediglich an eine Welt, die ihm stets verschlossen bleiben würde, eine Welt der Bücher, warmer Mahlzeiten, geheizter Räume und liebender Eltern.
    »Das war Quest, Abraham Quest!«
    Quest? Nun war Ducker doch überrascht. Beim Voranschreiten des Zirkels, das war der klügste Mann von Middlesteel, so sagte man zumindest. Und wahrscheinlich auch der reichste.
    Ducker sah dem brummenden Wagen nach, der allmählich aus seinem Blickfeld verschwand – und dem goldenen Schimmer, den er in die dunklen, rußigen Straßen gebracht hatte.
    »Du hättest zwei Kronen fordern sollen, du Grützkopf!« William wollte sich scheckig lachen.
     
    »Ich gehe davon aus, dass wir demnächst eine Plattform für einen Bediensteten am Heck anbringen lassen müssen«, bemerkte die Fahrerin. »Denn wenn sich unter seinen Freunden herumspricht, was Sie gerade getan haben, dann werden wir demnächst an jeder Kreuzung der Stadt von Gossenvolk umlagert.«
    Abraham Quest lehnte sich unbesorgt auf seinem Platz zurück. »Diese Kinder sind die Zukunft von Jackals, Veryann.«
    »Es ist aber ja nicht so, dass Sie der Fürsorge nicht schon genug spenden würden. Und dann finanzieren Sie ja auch noch diese Bildungseinrichtungen für Kinder …«
    »Wie der Bedarf, so die Mittel.« Ein Zitat aus der zirklistischen
Sammlung besinnlicher Gedanken. »Denken Sie niemals
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