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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit
Autoren: Colin Forbes
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der Ankunft in Lüttich verbrachte Nash eine halbe Stunde mit Lanz in der anonymen Atmosphäre des Bahnhofsrestaurants und fuhr dann in südlicher Richtung nach Clervaux in den Ardennen weiter. Das geheime Treffen mit Oberst Lasalle war sorgfältig geplant worden - Clervaux liegt weder in Deutschland noch in Belgien. Diese kaum bekannte Stadt liegt hoch oben im Mittelgebirge des nördlichen Luxemburg.
     Die Geheimhaltung des Nashschen Trips nach Europa war für das Überleben Lasalles als glaubwürdige politische Figur unerläßlich; wenn es Paris gelingen sollte, seine Verbindungen mit Washington nachzuweisen, würde man ihn leicht als Werkzeug Washingtons diskreditieren können. In dem ruhigen Hotel Claravallis in Clervaux, in einem Zimmer, das auf den Namen Charles Wade bestellt worden war, sprachen Nash und Lasalle zwei Stunden lang völlig ungestört miteinander. Danach verließ Lasalle sofort das Hotel und fuhr nach Deutschland zurück. Nash nahm einen schnellen Lunch ein und fuhr dann direkt nach Belgien zurück, wo er Peter Lanz, der in Lüttich auf ihn gewartet hatte, Bericht erstattete. Eine halbe Stunde später befand sich Nash auf dem Rückweg nach Brüssel, wo er die Nachtmaschine nach New York bestieg. Während seiner Blitzreise nach Europa unter dem Pseudonym Charles Wade hatte Nash sich keinen Augenblick in die Nähe der amerikanischen Botschaft in Brüssel gewagt. Sein Abendessen nahm er im Flugzeug ein wobei er Tierbilder auf ein Blatt Papier kritzelte und sie dann ausradierte. Bilder vom Kopf eines Leoparden.

2
     
    David Nash befand sich auf dem Weg zu seinem ersten Treffen mit Peter Lanz irgendwo auf der Straße zwischen Brüssel und Lüttich, als Marc Grelle in Paris einen Anruf erhielt, der zunächst eine Routineangelegenheit zu sein schien. Das weitläufige Büro des Polizeipräfekten liegt im ersten Stock der Präfektur; von den Fenstern des holzgetäfelten Raums blickt man auf den Boulevard du Palais; zum Schutz vor Einblick sind die Fenster mit Netzgardinen verhängt. Wie gewöhnlich trug Grelle Hosen und einen Rollkragenpullover, als er hinter seinem Schreibtisch saß und die allmorgendliche Papierarbeit erledigte, die er nicht ausstehen konnte.
     Der in Metz geborene Grelle war Lothringer. Die Lothringer gelten in Frankreich als die am wenigsten französischen Franzosen. Meist stämmig gebaut und durch nichts aus der Ruhe zu bringen, stehen sie in dem Ruf, vernünftig und in Notlagen zuverlässig zu sein. Grelle hatte einen langen Weg zurückgelegt, um von Metz nach Paris zu gelangen. Vor achtzehn Monaten, als Florian zum Präsidenten gewählt worden war, war Marc Grelle Polizeipräfekt von Marseille gewesen und hätte durchaus nichts dagegen gehabt, seine Karriere in dieser verlotterten Hafenstadt zu Ende zu führen.
     »Sehen Sie doch mal, wohin der Ehrgeiz die Leute bringt«, pflegte er zu sagen. 
    »Nehmen Sie jeden beliebigen Minister. Sie nehmen Pillen, um schlafen zu können, sie nehmen Aufputschmittel, um sich bei den Kabinettssitzungen mittwochs wachhalten zu können. Sie heiraten reiche Frauen, um ihre Karriere zu fördern, dann geben sie das Geld ihrer Frauen für Freundinnen aus, die sie sich zulegen, um nicht durchzudrehen. Was soll das alles?«
     Grelle gab nur nach langem Zögern Florians dringender Aufforderung nach, nach Paris zu kommen. »Ich brauche wenigstens einen ehrlichen Mann um mich«, hatte Florian gedrängt. Sein Gesicht hatte sich zu dem berühmten Lächeln in Fältchen gelegt. »Wenn Sie nicht annehmen, werde ich den Posten vakant lassen müssen!« Also war Grelle nach Paris gegangen.
     Er setzte seufzend seinen Namenszug unter ein Dokument und wandte sich einem anderen Papier zu, als das Telefon läutete. Am Apparat war André Boisseau, sein Stellvertreter.
     »Ich bin im Hôtel-Dieu, Chef, gleich um die Ecke. Ich finde, Sie sollten sofort herkommen. Hier liegt ein Mann im Sterben, und da ist irgend etwas komisch an der Sache.«
     »Sie sagten, er stirbt?«...
     »Er wurde gestern abend in der Rue du Faubourg St. Honoré von einem Wagen überfahren; der Fahrer hat Fahrerflucht begangen. Das war an genau derselben Stelle, an der Lucie Devaud gestorben ist …«
    Boisseau wollte am Telefon nicht mehr sagen. Grelle zog also seinen Ledermantel an, verließ das Gebäude und ging die kurze Strecke zu dem großen Krankenhaus am rechten SeineUfer zu Fuß. Es goß in Strömen, aber er haßte es, kurze Entfernungen mit dem Wagen zurückzulegen - ›Bald
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