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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit
Autoren: Colin Forbes
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Krankenwagen mit heulenden Sirenen zum HôtelDieu auf der Ile de la Cité, um den Verletzten einzuliefern. Nach der Ankunft untersuchte ein Arzt den Patienten und sagte, er müßte unwahrscheinliches Glück haben, wenn er die Nacht noch überstehen würde.
     Am Donnerstag, dem 9. Dezember, nachdem er seine Besucher aus Washington losgeworden war, vertiefte sich David Nash in eine Straßenkarte von Westeuropa. Er prüfte die Entfernungen und entschloß sich sofort, noch in derselben Nacht über den Atlantik zu fliegen. Wenn er den Pan Am Flug Nr. 92 erwischte, der 17.45 Uhr in New York abging, würde er am nächsten Morgen in Brüssel sein und somit genug Zeit haben, zu dem verabredeten Treffen nach Luxemburg zu fahren, wie es mit Lasalle vereinbart worden war, und nach Brüssel zurückzufliegen. Nash erreichte die Maschine mit knapper Not. Als die Boeing 707 über der Küste von Long Island allmählich die Flughöhe von dreißigtausend Fuß erreichte, lehnte er sich behaglich in seinem Erster-Klasse-Sitz zurück.
     Nash hatte einen gedrängten Zeitplan vor sich. Ihm stand nicht nur das Treffen mit Lasalle auf dem neutralen Boden Luxemburgs bevor, sondern auch eine Begegnung mit seinem deutschen Kollegen Peter Lanz, mit dem ihn eine enge und herzliche Freundschaft verband. Immerhin residierte der geflüchtete französische Ex-Oberst in Deutschland. Es hatte zu den delikateren Aufgaben von Peter Lanz gehört, diesen energiegeladenen Gast im Auge zu behalten, der das Territorium des engsten Verbündeten der Bundesrepublik verlassen hatte, um nach Deutschland zu flüchten.
    Die Ankunft von Oberst Lasalle war von den deutschen Behörden mit sehr gemischten Gefühlen aufgenommen worden. Sie gaben ihm Asyl - Paris hatte keinerlei Anklage gegen ihn erhoben -, und der Polizeichef von Saarbrücken war angewiesen worden, den Flüchtling nicht zu genau zu überwachen. Lasalle, der einen Entführungsversuch befürchtete, hatte um Polizeischutz nachgesucht, der ihm unter der Voraussetzung gewährt worden war, daß die Öffentlichkeit nichts davon erfahre. Im Lauf der Zeit - Lasalle hielt sich jetzt schon sechs Monate in der Bundesrepublik auf - wurde die Überwachung gelockert.
     Peter Lanz hatte Lasalle mehrere Male besucht und ihn gebeten, einen gemäßigteren Ton in seinen Rundfunksendungen anzuschlagen. Lasalle hatte erwidert, daß er es sich überlegen werde. Danach setzte er sich meist in den Wagen, fuhr zum Funkhaus und überschüttete Florian mit einem neuen Sortiment von Verbalinjurien. Da Lasalle gegen kein Gesetz verstieß, konnte Lanz sich nur mit einem Achselzucken hinsetzen und die Übersetzung des jüngsten Ausbruchs lesen.
     Lanz war mit seinen zweiunddreißig Jahren außergewöhnlich jung für den Posten des stellvertretenden Leiters des Bundesnachrichtendienstes. Seine rasche Beförderung verdankte er seiner Qualifikation und der Tatsache, daß zahlreiche ältere Kollegen den Dienst hatten quittieren müssen, nachdem Franz Hauser, der neue Bundeskanzler, drei Monate nach dem Amtsantritt Guy Florians gewählt worden war. »Ich wünsche dort keine Intriganten«, hatte Hauser bündig erklärt, »ich will dort junge und energische Männer sehen, die mit diesem verdammten Job fertig werden …«
     Dieser sehr junge Vize des BND war ein mittelgroßer, schlanker Mann mit sich lichtendem braunen Haar. »Wenn ich in diesem Job bleibe, bin ich mit vierzig kahl«, pflegte er oft zu sagen. 
    »Stimmt es eigentlich, daß Frauen nach kahlköpfigen Männern verrückt sind?« Gewöhnlich blickte er ernst drein, aber er hatte eines mit Guy Florian gemeinsam: Wenn er lächelte, konnte er mit seinem Charme fast jeden dazu bringen, ihm zuzustimmen. Ihm oblag die Aufgabe, potentiell gefährliche Situationen für die Bundesrepublik Deutschland vorherzusehen und zu verhindern - er mußte politisch brisante Entwicklungen im voraus erkennen und abwehren. Die Ankunft Oberst Lasalles auf deutschem Boden war ein klassischer Fall. 
    »Nicht gerade einer meiner größten Erfolge«, bekannte Lanz einmal, »aber dafür wissen wir auch nicht, wohin diese Geschichte noch führen wird, nicht wahr? Lasalle weiß etwas - vielleicht erzählt er mir eines Tages, was er weiß…«
     Nash traf Lanz in Lüttich in Belgien. Früher an diesem Morgen, nachdem er um 8.30 Uhr in Brüssel gelandet war, hatte der Amerikaner sich am Flughafen unter dem falschen Namen Charles Wade einen Wagen gemietet. Dies war sein Pseudonym auf dieser Dienstreise. Nach
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