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Noware (German Edition)

Noware (German Edition)

Titel: Noware (German Edition)
Autoren: Uwe Post
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färbte. Jo kicherte.
    Wut.
    Auf der anderen Seite des
Tisches knallte meine Müslischüssel auf den Bogen. Sie zersprang,
mein Frühstück vermischte sich mit blauen Keramik-Scherben.
    Jo stürmte gröhlend aus der
Küche.
    Ich blieb auf den kalten
Fliesen sitzen, entdeckte Muster im Schlamassel. Ein skelettierter
Fuß da links, zwei Grinsen rechts. Das eine erinnerte mich an meinen
Sachbearbeiter beim Jugendamt. Mein Sorgerechtsantrag? Sei während
seines Urlaubs verloren gegangen, sowas kam schonmal vor. Ich
polierte ihm die Fresse. Ich bekam das Sorgerecht zwei Jahre später,
als der Sachbearbeiter versetzt wurde. Sein Nachfolger murmelte etwas
von Bestechlichkeit, setzte für zwei Hunderter Unterschrift und
Stempel an die richtige Stelle. Am gleichen Nachmittag holte ich Jo
aus dem Heim, und im Stau auf dem Weg fluchte ich, als käme es auf
jede Sekunde an. Dass sieben Jahre ohne Erziehung nicht zu reparieren
waren, begriff ich erst nach und nach. Wie zum Beispiel jetzt, im
Angesicht meiner auf dem Küchenboden verteilten Müslischüssel.
    Ich zog mich am kalten
Metallgestell des Küchenstuhls hoch, setzte mich darauf und zog das
Notebook zu mir herüber. Das hatte Jo nicht vom Tisch geworfen, weil
er Respekt vor allen Computern hatte, mit denen man spielen konnte.
Ich klappte das Notebook auf, um nachzusehen, wieviel Verspätung
meine S-Bahn heute hatte.
    Aber ich bekam keine
Verbindung. Ausgerechnet jetzt kein Internet. Also musste ich davon
ausgehen, dass die Bahn pünktlich war. Keine Zeit, um die Küche
aufzuräumen.
    In diesem Moment hörte ich die
Tür zu Jos Zimmer knallen. Sekunden später stand er in der Küche,
beide Hände in den Taschen seiner Jeans. »Internet geht nicht«,
murrte er.
    »Ich weiß«, sagte ich.
    »Kein Everworld«, grunzte Jo,
sah zu Boden, dann aus dem Fenster. »Shit«, ergänzte er, als er
merkte, dass die Milch seine Socken erreicht hatte. Er machte einen
Schritt rückwärts. Ich konnte mir ein Grinsen nur mühevoll
verkneifen. »Wenn dein Online-Spiel nicht geht, könntest du
stattdessen was anderes machen. Ich hätte da zwei Vorschläge.«
    »Shit«, wiederholte Jo.
    »Du könntest zum Beispiel die
Küche saubermachen.«
    »Fuck.«
    »Oder in die Schule gehen.«
    »Lol.«
    Es klingelte. Jo machte keine
Anstalten, zur Tür zu gehen, also schob ich mich an ihm vorbei, um
zu öffnen. Der Junge trottete hinter mir her. Draußen warteten zwei
Typen in Jos Alter, die ich nicht kannte, einer breit, einer fett.
»ZNG«, brummte Jo hinter mir.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Okay«, sagte der größere
der Jungs und sah an mir vorbei.
    »Zaks neue Gang«, erklärte
Jo die Abkürzung.
    »Wir zocken dein Nokia«,
verkündete der Fette und meinte Jo.
    »Wieso?«, fragte ich.
    »Klar, Zak«, machte Jo und
holte sein Handy aus der Tasche.
    »Meins ist ...«, begann
der Große, wurde unterbrochen vom Fetten: »Wir kratzen den Namen
deiner Fotze in Papas Auto.«
    »... kaputt.«
    »Ich habe gar kein Auto«,
sagte ich.
    »Okay, 'kay«, machte Jo und
reichte dem Fetten sein Handy.
    »Moment«, wollte ich
eingreifen, aber der Fette hatte das Telefon schon an seinen
Kameraden weitergereicht und baute sich als menschlicher Schutzschild
vor ihm auf.
    »Scheiß China-Karre«, sagte
er und nickte unbestimmt Richtung Treppenhaus. Langsam wurde mir
klar, dass die zweiköpfige Gang den Lack eines Wagens vor dem Haus
zerkratzt hatte, in der Annahme, es sei meiner. Und das, um meinen
Sohn zu erpressen. Ich schüttelte den Kopf. »Wie bescheuert seid
ihr eigentlich?«
    Der Fette grinste und entblößte
weiße Zähne, ohne etwas zu entgegnen.
    »Arschloch, das is auch im
Arsch«, rief der Große und warf Jos Handy hinter sich. Es klapperte
die Treppe runter.
    »Jetzt bestimmt«,
kommentierte der Fette.
    »Lol«, machte Jo und
verschränkte die Arme.
    »Man sieht sich«, sagte Zak
und machte Anstalten, zu gehen.
    »Moment«, rief ich.
    »Guck«, sagte der Fette und
hielt mir eine Pistole vor die Nase.
    »Scheiße, bis du völlig ...«
    »Cool«, ließ Jo sich
vernehmen.
    »... bescheuert?«, schrie ich
den Fetten an. Der machte ein paar Schritte rückwärts, dann eilte
er johlend die Treppe runter.
    Ich sah Jo an, aber der gaffte
bloß die Gegensprechanlage neben der Wohnungstür an, als hätte er
sie noch nie gesehen.
    »Die kommen hierher, um dich
abzuziehen?«, fragte ich.
    Unten knallte die Tür. Jo riss
den Hörer von der Gegensprechanlage und schrie »Arschlöcher«
hinein. Dann knallte er den Hörer
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