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Noware (German Edition)

Noware (German Edition)

Titel: Noware (German Edition)
Autoren: Uwe Post
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eingefallenem
Gesicht, Zigarette zwischen den Lippen; langes, graues Haar.
    »Das ist alles gefälscht?«,
entfährt es mir.
    Nathan benötigt nur einen
Lidschlag, um sich auf die neue Situation einzustellen. »Wie kommst
du darauf? Ich habe einen O-Ton übersetzt, bevor ich ihn nachher
sende. Wer seid ihr eigentlich?«
    »Eine Gilde Bikepunks«, sage
ich. »Wir haben dich gesucht.«
    Opel schiebt sich an mir
vorbei. »Hörma, hasse vielleicht ne Kippe für nen alden Opelaner?«
    »Natürlich«, grinst Nathan
und reicht Opel die Zigaretten.
    Ronsdorf tippt mir auf die
Schulter. »Der ist nicht koscher.«
    Ich nicke. »Ich glaube, du
bist ein Fälscher. Ich weiß bloß nicht, warum du das tust. Was
hast du davon?«
    Nathan drückt seine Kippe aus,
zuckt mit den Schultern. »Eben. Was hätte ich davon? Deshalb tu
ich's nicht. Das ist alles echt. Ich hab hier oben Antennen und
Verstärker, okay? Damit empfange ich andere Sender.« Er zeigt vage
auf die Geräte auf dem Schreibtisch.
    »Jungens«, mischt Opel sich
ein und zieht glücklich an seinem Glimmstengel, »ich tu mal wat
vorschlagen jetzt. Wieso tun wir nicht einfach nen Wahrheitstest
machen? Dann wär doch allet geklärt.«
    »Wahrheitstest?«, fragt
Nathan misstrauisch.
    »Ja«, sagt Ronsdorf und tritt
in den Raum. »Die Wahrheit wiegt bekanntlich schwer. Du und unser
Senior hier, ihr fahrt beide mit Bikes die Treppen runter. Wer als
erster unten ist, sagt die Wahrheit.«
    »Bist du völlig bescheuert?«
Nathan gafft entgeistert. »Da bricht man sich den Hals!«
    Ich balle die Fäuste. »Kneifst
du?«
    Nathan holt Luft. »Leiht mir
einer von euch sein Bike? Mir wurde meins geklaut.«
    »Draußen stehen gelassen,
wat?« Opel lacht, hustet. »Da sind wir aber schlauer gewesen.«
    »Du kannst meins haben«, sagt
Ronsdorf. »Aber mach es nicht kaputt.«
    »Natürlich nicht, wo denkt
ihr hin ...« Nathan geht lächelnd an uns vorbei, tritt aus dem
Zimmer – und rennt los, den Gang hinunter.
    »Halt!«
    »Arschloch!«
    »Wo soll er schon hin?«,
frage ich. Ronsdorf sitzt schon auf seinem Bike und tritt in die
Pedale. Er holt Nathan ein, stellt sich vor ihm quer, packt ihn.
    Ich begebe mich in die
Startposition, parke mein Rad am oberen Ende der Treppe. Ronsdorf
stellt sein Bike daneben, hält Nathan mühelos mit einer Hand.
    »Tut mich ma vorbei lassen.«
Opel, immer noch rauchend, kommt mit seinem Schrankrad an. »Ich fahr
schonmal runter. Einer muss ja kucken, wer dat Duell gewinnt.«
    »Bis später«, sagt Ronsdorf.
    Opel rollt los, kracht die
Stufen runter. Als sein Schrank um die Kurve biegt, gafft Nathan ihm
hinterher. »Ihr seid ja bekloppt!«
    »Kannst du beweisen, dass du
kein Fälscher bist?«
    Nathan antwortet nicht, scheint
nachzudenken.
    »Herr Moderator«, sage ich,
»du hast ein Informationsmonopol. Das bedeutet Macht. Du nutzt deine
Macht. Ich weiß nur nicht, wofür.«
    Das Klappern und Klirren von
Opels Bike wird leiser, bis es ganz verstummt.
    »Aufsitzen«, befielt
Ronsdorf. Nathan klettert auf das Rad, sieht mich noch einmal an.
»Und wenn ich verliere?«
    »Warum glaubst du, dass du
verlieren könntest, wenn du die Wahrheit sagst?« Ich zeige nach
unten. »Guck, ich hab sogar freiwillig die Außenseite genommen.«
    »Ja«, sagt Nathan und grinst
plötzlich. »Aber es ist schon eine Weile her, dass ich sowas
gemacht habe.«
    Ich muss lachen, dann gibt
Ronsdorf das Startsignal.
    Nathan schießt vorwärts,
schreit irgendwas, rumpelt die Stufen runter. Ich hinterher,
gleichzeitig kommen wir sowieso nicht um die engen Kurven. Der Lenker
schlägt mir die Handflächen grün und blau, gelegentlich bohrt mir
der Sattel ein weiteres Loch in den Hintern, obwohl ich natürlich im
Stehen fahre. Am Treppenabsatz reiße ich das Rad herum, einen Fuß
auf dem Boden.
    Nathan schafft es bis in den
fünften Stock, bevor er zum ersten Mal stürzt. Ich schieße vorbei,
werfe am nächsten Absatz einen Blick zurück: Nathan richtet
Ronsdorfs Bike wieder auf.
    Der Krach wird im engen
Treppenhaus zum Donnern, zweimal stürze ich fast selbst. Die Hände
sind taub, so spüre ich kaum, dass ich mir an der Betonwand die Haut
abreiße.
    Ich zähle die Etagen nicht
mehr, gehörlos rase ich durch einen Traum aus grauem Beton und
geriffelter Schwerkraft.
    »Da bisse ja.«
    Es dauert einen Moment, bis ich
begreife, dass das Opels Stimme ist. Ansonsten ist es still, nur
meine Lunge rasselt. Ich drehe mich um, aber von Nathan keine Spur.
Ist er im Erdgeschoss nach draußen
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