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Noware (German Edition)

Noware (German Edition)

Titel: Noware (German Edition)
Autoren: Uwe Post
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und
röchelt.
    »Ein Zug?« Stirnrunzelnd
schaue ich nach links. Natürlich ist da die alte Bahnstrecke, aber
Züge fahren da seit dem Zusammenbruch nicht mehr. »Wie kommst du
darauf?«
    »Fenster in einer Reihe«,
sagt der Glatzkopf, gestikuliert mit den Fingern. »Nebeneinander«,
ergänzt er. »Und übereinander. Zwei Reihen übereinander!«
    »Ein Doppelstockzug?«
    Er zögert, nickt.
    »Aber er bewegte sich nicht?«
    Er kichert. Nein, natürlich
bewegt er sich nicht. Kein Strom. Schon lange nicht mehr.
    Fast haben wir die Baumstämme
erreicht. Auf der anderen Seite sind Häuser zu sehen, sogar ein
gelbes Ortsschild. Noch etwas näher, dann können wir es entziffern
- St. Goar - wir beschleunigen unsere Schritte, automatisch, ohne
dass ein Antreiber den Trommeltakt erhöhen müsste ... tomm, tomm,
tomm, platsch, platsch, platsch, ...
    Dann fallen Schüsse. Jemand
schreit, der Glatzkopf rempelt mich um. Ich stolpere über irgendwas,
falle auf die Knie, dann ruft jemand »Halt!«
    Knirschend nähern sich
Stiefelschritte, ich bleibe vorsorglich am Boden. Ich stupse den
Glatzkopf an, aber der wimmert nur.
    Im letzten Licht des Tages sehe
ich einen bewaffneten Trupp aufmarschieren, Aufstellung beziehen;
eine Miliz, oder eine Gang, die Herren diesseits des Baumstamms
offenbar.
    Vor tritt ein langhaariger Kerl
mit Bart und Maschinenpistole. »Ihr Jungs wolltet also unser Land
durchqueren, ohne Zoll zu zahlen?«
    Keiner von uns wagt eine
Antwort.
    »Das macht überhaupt nichts«,
fährt der Bart leichthin fort. »Wir legen euch einfach um und
werfen euch in den Fluss, dann ist alles in Ordnung.« Er kichert,
bis ihm sein Nebenmann etwas zuflüstert. Daraufhin sinkt der Lauf
der Maschinenpistole. Er seufzt, versetzt dem Mann einen Klatsch auf
den Hintern. »Von mir aus. Also, ist einer unter euch, der Ahnung
von Computern hat?«
    Jemand hinter mir kichert
hysterisch, ein anderer hustet. Die meisten von uns waren vor dem Job
auf der Galeere Sportler, Türsteher, Bauarbeiter. Der Kerl in der
Reihe vor mir war früher Elektro-Verkäufer bei Kaufhof, der neben
ihm Geheimagent, der anderer Leute PCs ausspionierte. Hat er
jedenfalls immer behauptet. Egal, die beiden sind tot.
    Und ich bin feige, habe nie den
Mut aufgebracht, meinem Sohn eine runterzuhauen, meinem Chef zu
sagen, wohin er sich seine sogenannten Strategie-Meetings schieben
kann, die süße Nachbarin zu fragen, ob sie mal zum Essen
rüberkommen will ... wo sie jetzt wohl ist?
    Im Arsch, wie ich?
    Wenn einem alles scheißegal
ist, kann man genausogut den Helden spielen.
    Langsam richte ich mich auf.
Zitternd, es ist kalt.
    »Ich«, will ich sagen, aber
mein Hals ist zu trocken. Ich schlucke, dann hebe ich sachte die Hand
und wiederhole: »Ich. Ich kenne mich mit Computern aus.«
    Hans schnaubt, der Bärtige
grunzt. »Okay, dann kommst du mit zum King. Du, du und du«, er
zeigt dabei auf drei seiner Kameraden, »erschießt den Rest.«
    »Lass sie doch gehen«, sagt
meine vorlaute Fresse, bevor ich sie daran hindern kann. »Und spart
die teure Munition.«
    Der Bärtige lacht trocken.
»Genosse«, sagt er, »es gibt auf der Welt mehr als genug Waffen
und Munition, um alle Scheiß Menschen umzulegen.«
    Hans spuckt aus. »Erst recht,
seit wir Scheiß Menschen nicht mehr so viele sind.«
    Der Bart lacht wieder. »Du
gefällst mir. Man nennt mich Krimhild. Wie heißt du?«
    »Siegfried«, sagt Hans.
    »Ist mir eine Ehre«, sagt der
Bart mit vollem Ernst und deutet eine Verbeugung an. Er betrachtet
Hans von den blonden Haaren bis zu den blanken Füßen. »Wie schnell
kannst du laufen, süßer Siegfried?«
    Hans schaut zu den auf der
Straße liegenden Bäumen, die als dunkle Schatten im Zwielicht
erkennbar sind, dann wieder zu Krimhild. »Ich schaffe es bis zu
eurer Grenze, bevor du mich abknallen kannst.«
    »Okay«, sagt der bärtige
Krimhild. »Renn los, Süßer.«
    Und Hans rennt. Seine Füße
platschen auf die Straße, auf die kleinen Steinchen, die Äste, die
man im Dunkeln kaum sieht. Er fliegt, ein heller Schemen. Krimhild
sieht ihm hinterher, scheint lautlos bis drei zu zählen. Dann hebt
er die Maschinenpistole, hält sie schief vor sich, kneift ein Auge
zu, drückt ab. Wir halten die Luft an.
    Peng !
Daneben. Peng !
Wieder daneben. Hans läuft jetzt zickzack,
auch wenn er so länger für den Weg braucht.
    »Renn, Häschen!«, säuselt
Krimhild, und seine Kameraden kichern.
    Der nächste Schuss. Wieder
daneben.
    Dann ist Hans an den Bäumen,
nur noch ein heller
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