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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman
Autoren: Ben Aaronovitch
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Ein fragwürdiger Zeuge
    Alles begann an einem kalten Dienstag im Januar, morgens um halb zwei, als Martin Turner, Straßenkünstler und nach eigenen Worten Gigolo in Ausbildung, vor der Säulenvorhalle von St. Paul’s am Covent Garden über eine Leiche stolperte. Martin war selbst nicht mehr allzu nüchtern und glaubte zuerst, über einen der Nachtschwärmer gestolpert zu sein, die manchmal die Winkel der Piazza als Toilette oder vorübergehenden Schlafplatz benutzten. Er streifte die Gestalt auf dem Boden mit dem typischen Londoner Blick   – einem schnellen Seitenblick, mit dem man im Vorbeigehen feststellt, ob es sich um einen Betrunkenen, einen Bekloppten oder um einen Menschen handelt, der Hilfe braucht. Die Tatsache, dass durchaus auch jemand alle drei Zustände gleichzeitig aufweisen kann, ist einer der Gründe, warum in London gute Samariter für Extremsportler gehalten werden   – so ungefähr wie Basejumper oder Krokodilringer. Martin, dem zunächst nur der Markenmantel und die guten Schuhe aufgefallen waren, hatte die Gestalt gerade in die Kategorie Besoffene eingestuft, als er noch etwas anderes bemerkte: Dem Mann fehlte der Kopf.
    Wie Martin den Ermittlern bei seiner Vernehmung erklärte,sei es doch ein Glück gewesen, dass er eine ganze Menge Alkohol intus gehabt habe, weil er nämlich sonst ziemlich viel Zeit mit Schreien oder panischem Herumrennen vergeudet hätte   – vor allem, als ihm klar wurde, dass er mitten in einer riesigen Blutlache stand. Stattdessen wählte er mit der Bedächtigkeit, die Betrunkenen wie auch vor Entsetzen fast gelähmten Menschen eigen ist, die Notrufnummer 999 und informierte die Polizei.
    Die Notrufzentrale alarmierte den nächsten Einsatzwagen, und die ersten Polizisten erreichten den Schauplatz sechs Minuten später. Ein Beamter widmete sich dem schlagartig nüchtern gewordenen Martin, während sein Kollege über Funk bestätigte, dass da, jawohl, eine Leiche liege und dass man unter den gegebenen Umständen wohl nicht davon ausgehen könne, dass es sich um einen Unfall mit Todesfolge handle. Den Kopf fanden sie sechs Meter entfernt; er war hinter eine der klassizistischen Säulen gerollt, die die Vorhalle der Kirche stützten. Die Beamten in der Polizeizentrale setzten nunmehr das Mordermittlungsteam des Bezirks in Kenntnis, dessen diensthabender Beamter, ausgerechnet der jüngste und unerfahrenste Detective Constable des Teams, eine halbe Stunde später eintraf. Er warf einen einzigen Blick auf Mister Kopflos und riss dann telefonisch seinen Chef aus dem Schlaf. Danach rollte die Mordkommission der Metropolitan Police in ihrer gesamten Pracht und Herrlichkeit an und ergoss sich über die fünfundzwanzig Meter Kopfsteinpflaster, die sich vom Portikus der Kirche bis zur Markthalle erstrecken. Der Gerichtsmediziner kam und bescheinigte den Tod, gab eine vorläufige Einschätzung der Todesursache und veranlasste den Abtransportder Leiche, um eine Autopsie durchzuführen. (Dabei kam es zu einer kleinen Verzögerung, weil man erst noch einen Beweisbeutel beschaffen musste, der groß genug für den Kopf war.) Die Spurensicherung rückte wie immer als geschlossene Gruppe an und verlangte   – um zu beweisen, dass sie die Wichtigsten waren   –, dass die Absperrung des Leichenfundorts erweitert werden und den gesamten Westteil der Piazza umfassen müsse. Dafür wurden noch mehr Uniformierte benötigt, weshalb der Detective Chief Inspector, der als Ermittlungsleiter fungierte, das Polizeirevier Charing Cross anrief und darum bat, ihm ein paar Beamte auszuleihen. Der Beamte vom Dienst hörte das magische Wort »Überstunden«, marschierte ins Wohnheim und bellte lautstark Freiwillige aus ihren warmen, gemütlichen Betten. So wurde die Absperrung erweitert, die Spurensuche lief an und die Jungpolizisten wurden zu diversen Botengängen mit unklarem Ziel abkommandiert, bis kurz nach fünf Uhr alles zum Stillstand kam. Die Leiche war abtransportiert, die Ermittler waren fort und die Forensiker waren einhellig der Meinung, dass man vor der Morgendämmerung nichts mehr tun könne   – und die würde erst in drei Stunden einsetzen. Bis dahin wurden nur ein paar Uniformierte benötigt, die den Tatort bis zum nächsten Schichtwechsel bewachten.
     
    So kam es, dass ich um sechs Uhr morgens im eiskalten Wind am Covent Garden herumhing. Und dass ich es war, der dem Geist begegnete.
    Manchmal denke ich, dass mein Leben viel weniger interessant und ganz bestimmt sehr viel
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