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Notruf 112

Notruf 112

Titel: Notruf 112
Autoren: Christian Seifert , Christian
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zum Beispiel etwas explodieren oder herunterkrachen würde.
    Vorsichtig robbe ich über den rauen Steinfußboden durch den Rauch – immer der Hitze entgegen und auf den Feuerschein zu, der sich weiter vorne, gelb-rot flackernd, hinter der Rauchwand abzeichnet. Und dann sehe ich es plötzlich, keine Armlänge vor mir. Ich schaue in die kalten Augen eines – KROKODILS! Graugrün mit scharfzackigen Schuppen, locker einen halben Meter lang! Ich glaube, ich werde wahnsinnig! Die Muskeln erstarren. Das Herz rast. Schweißausbruch. Das Atmen fällt mir schwer. Ich hechele wie ein kurzatmiger Spaniel. Erster Reflex: Raus! Raus! Raus! Zweiter Reflex: Stopp! Keine Panik. Ruhig ein- und ausatmen, Hirn einschalten.
    Der Kollege hat die Echse auch entdeckt. Und bevor ich ihn daran hindern kann, stößt er zu meinem großen Entsetzen das grässliche Monster an. Wahnsinn! Ich greife nach meiner Axt und erwarte, dass der kleine Killer herumschnellen und seine fürchterlichen Zähne in unsere Schutzausrüstung schlagen wird. Oder ist das Tier vielleicht doch schon halb tot? Aber es reißt doch das Maul auf …
    Und dann wirft sich das Mistviech plötzlich feige auf den Rücken. Wie zum Hohn wippt lustig der schuppige Gummischwanz. Verdammt noch mal! Wütend stoße ich das Gummikroko aus dem Weg. Ich schwöre dem Schicksal Rache für diesen gemeinen Streich. Und der Spielzeugindustrie auch …
    Wir haben übrigens nie wieder ein Wort über diese peinliche Kellerepisode verloren. Es ist unser kleines, dunkles Geheimnis geblieben. Danke, Kollege. Bist ein toller Kumpel.
Ein Waschbär namens Teddy
    Mitten in der Nacht meldet sich ein Tankwart und berichtet von einem ungewöhnlichen Besucher: »Im Baum neben unserer Waschstraße sitzt ein Waschbär! Könnt ihr mal kommen?« Aber ja doch. Die wilden Waschbären haben sich in München und Umgebung in den letzten Jahren ziemlich vermehrt und leider auch gelernt, Mülltonnen zu plündern. Dieser hier scheint aber ein besonderes Exemplar zu sein. »Er trägt eine rote Schleife um den Hals.«
    Weil er sich die wohl kaum selbst umgebunden hat, muss er ein zahmes Haustier sein. Im Geiste sehe ich ihn daher schon freiwillig und ohne jedes Theater in unsere Tierfangkiste steigen und uns dankbar die Hände lecken. Ich soll mich bitter in ihm täuschen. Und ich schwör es: Ich hätte ihn laufen lassen, wenn ich geahnt hätte, was das für eine kämpferische Kneifzange war. Vielleicht hätte mich auch der Umstand warnen können, dass es sich um den Donnerstag vor Fasching – also Weiberfastnacht – handelte. Wie auch immer. Völlig unvoreingenommen nähern wir uns ihm – acht Mann für einen kleinen Waschbären. So war das damals bei der Freiwilligen Feuerwehr.
    Das Bäumchen, auf dem er sitzt, ist gerade mal zwei Meter hoch. In Sekundenschnelle haben wir dem kleinen Kerl ein Netz übergeworfen, in das er sich sofort wild fauchend verwickelt. Von wegen zahm. Dann fällt er uns wie eine reife Frucht in die Arme. Deckel auf, Waschbär in die Kiste, Deckel zu – fertig. Wie er da aber so gefesselt in den Maschen hängt und uns hasserfüllt anstarrt, regt sich ein Gefühl von Mitleid in mir. Ich habe auch Sorge, er könne sich strangulieren. Ein so freiheitsliebendes Wildtier sollte sich doch wenigstens in der Kiste frei bewegen können. Also beginnen wir, den Waschbären vorsichtig aus dem Netz auszuwickeln.
    Eine saublöde Idee. Der Versuch endet in der Ambulanz des Erdinger Krankenhauses, wo Kollege Schorsch und ich mit um die blutenden Hände gewickelten Geschirrhandtüchern auf den Chirurgen und die Tetanusimpfung warten. »Hey, ihr Helden, was ist denn mit euch passiert?«, hat uns die hübsche Ambulanzschwester an der Aufnahme gefragt. Wir hätten ihr ja gern eine schöne Heldengeschichte auf Leben und Tod aufgetischt, haben uns dann aber doch für die Wahrheit entschieden. Unser Waschbärabenteuer erzeugte bei ihr diesen ungläubigen »Was habt ihr denn getrunken?«-Blick, der mich echt kränkte. Verehrte Schwester, falls Sie das hier lesen sollten: Wir waren stocknüchtern. Ich schwöre es! Höchst demütigend war auch das Telefonat, das die nette Schwester mit dem diensthabenden Chirurgen führte. Der wollte nämlich gar nicht erst kommen, weil er die Nummer mit dem Waschbären neben der Waschstraße an Weiberfastnacht für einen vorgezogenen Aprilscherz hielt.
    Die nadelspitzen Zähne des Waschbären haben mühelos und in Sekundenschnelle mit der Präzision einer Turbonähmaschine unsere
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