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Notruf 112

Notruf 112

Titel: Notruf 112
Autoren: Christian Seifert , Christian
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nervenzerfetzend. An dieser Stelle muss ein großes Dankeschön ausgesprochen werden. Nämlich an alle Kollegen, ohne deren Mithilfe dieses Buch so wohl nicht entstanden wäre.
    Folgen Sie mir also nun in unseren Hochsicherheitstrakt auf der Münchner Feuerwache 3, in den Außenstehende keinen Zutritt haben und selbst offizielle Besuchergruppen sich meist mit einem Blick durch die Glasscheibe zufriedengeben müssen. Nehmen Sie Platz und wundern Sie sich bitte über gar nichts mehr. Denn jetzt geht es los: »Die Feuerwehr. Der Rettungsdienst. Grüß Gott!«

Notruf aus der Winternacht
    Sie kämpft mit der Panik. Ihr Atem jagt. Die Angst in der Stimme der jungen Frau ist unüberhörbar. Und dazu hat sie jeden Grund, wie sich gleich erweisen wird.
    »Die Feuerwehr. Der Rettungsdienst. Grüß Gott!.«
    »Ja … Hallo … Mein Name ist Tausend, Regina Tausend. Ich habe mich verlaufen. Ich liege im Gebüsch und kann nicht mehr aufstehen. Ich glaube, ich habe mir was gebrochen …«
    In einer halbwegs lauen Nacht hätte mich das noch nicht weiter aufgeregt. Doch das hier ist ein eisiger Münchner Februarnachmittag. Bitterkalt bei Dauerfrost und einsetzender Dämmerung mit leichtem Schneefall. Und Regina setzt gleich noch einen drauf:
    »Sie müssen wissen, ich bin nämlich Marcumar-Patientin. Ich habe Angst, dass ich verblute.«
    Marcumar – ein blutgerinnungshemmendes Mittel für Schlaganfall- und Herzinfarktpatienten. Oha. Diese erst 23-jährige Frau hat in der Vergangenheit anscheinend mehrere ernsthafte gesundheitliche Probleme gehabt. Und Probleme habe ich jetzt auch. Denn Regina Tausend hat zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung mehr, wo genau sie sich befindet. Bereits gegen 15.30 Uhr war sie mit ihrem Hund zu einem Spaziergang auf einem 200 Hektar großen ehemaligen Militärgelände im Münchner Norden aufgebrochen. Unterwegs hatte sie plötzlich kurzfristig das Bewusstsein verloren. Als sie wieder erwachte, war sie völlig orientierungslos in die falsche Richtung gelaufen und in immer unwegsameres Gelände geraten, wo sie schließlich schwer stürzte.
    Die Uhr in der Leitstelle zeigt 17.42 Uhr. Es sind seither also schon über zwei Stunden vergangen.
    »Können Sie aufstehen?«
    »Nein.«
    »Können Sie etwas sehen oder hören? Vielleicht Lichter, Häuser oder Straßenlärm?«
    »Nein. Hier ist nichts.« Pause. Und dann: »Es ist so kalt … Ich habe echt Angst.« Ihre Stimme zittert. Regina weint jetzt. In solchen besonderen Fällen spreche ich die Patienten bewusst mit dem Vornamen an, um ein wenig persönliche Nähe und Vertrauen herzustellen.
    »Regina, wir werden Sie finden. Seien Sie ganz ruhig. Wir sind bald bei Ihnen.«
    »Ja. Aber bitte beeilt euch.«
    Aber klar doch. Ich gebe die letzte Adresse ein, an die sich Regina erinnern kann: Am Kiefernwald. Der Kartenausschnitt im Grafikbildschirm ist in diesem Fall keine große Hilfe. Direkt hinter diesem Straßenzug beginnt das riesige Heide- und Waldgelände. Unmöglich abzuschätzen, in welche Richtung die Frau gelaufen sein könnte. Ich hebe die Hand. Das ist das Signal für die Kollegen um mich herum, dass ich jetzt Unterstützung brauche.
    Einer kümmert sich sofort um die Einweisung eines Rettungswagens. Der andere organisiert schon die Handyortung durch den Lagedienst. Wegen des Datenschutzes und der Missbrauchsgefahr darf die Handyortung nur von dem diensthabenden Verantwortlichen durchgeführt werden. Nach zwei Minuten erscheint das Telefonsymbol im roten Kreis – das Zeichen dafür, dass die Handyortung abgeschlossen ist. Ich bin gespannt. Manchmal klappt es auf 80 Meter genau. Wenn es aber blöd läuft, sind es auch mal vier Kilometer. Immerhin: Reginas Handy lässt sich auf einen Radius von etwa einem Kilometer eingrenzen. Immer noch viel zu ungenau für ein derart unübersichtliches Gelände. Die Kollegen im Rettungswagen und kurz darauf noch zwei weitere Fahrzeuge der Berufsfeuerwehr kreisen bereits mit Blaulicht und Signal durchs mutmaßliche Zielgebiet.
    Neuer Versuch: »Regina, hören Sie Sirenen oder sehen Sie Blaulicht?«
    Schweigen. Ich balle gespannt die Faust, hoffe auf das allseits vertraute Hintergrundgeräusch.
    »Nein. Ich hör nichts …«
    Stattdessen erschreckt sie mich mit der Eröffnung, dass ihr Handy­ak­ku schwach wird. Nur noch zwei Balken. Ihre Stimme klingt verdächtig leise und verwaschen. Auch das noch. Halt durch, Mädchen. Und schlaf mir jetzt bloß nicht ein.
    »Regina, wie heißt eigentlich Ihr Hund? Haben Sie Kinder? Was
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