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Notruf 112

Notruf 112

Titel: Notruf 112
Autoren: Christian Seifert , Christian
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Brandsicherheitswache, unsere Notarzt-Einsatzfahrzeuge und die Sanitätsstation untergebracht, die unabhängig von uns vom Bayerischen Roten Kreuz betrieben wird. Je nach Sicherheitsstufe und des zu erwartenden Besucherandrangs sind zwischen einem und vier Notarzteinsatzfahrzeuge sowie Rettungs- und Krankenwagen vor Ort. In der vollausgestatteten Krankenstation gibt es auch einen kleinen Operationsraum, in dem zur Wiesnzeit fast rund um die Uhr genäht, geklammert, verpflastert, verbunden und nebenan auch ausgenüchtert wird. Das hat zuweilen eine Feldlazarettatmosphäre, die sich das Feiervolk jenseits des Zaunes gar nicht vorstellen kann. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie fünf Ärzte und Helfer mit größter Mühe eine zarte Italienerin bändigen mussten, die im Vollrausch wie am Spieß schrie – nur wegen einer kleinen Schnittwunde.
    Wer es aus eigener Kraft ins Sanitätszentrum und später auch wieder zurück schafft, taucht in der Statistik der Integrierten Leitstelle gar nicht auf. Wohl aber alle, die im Vollrausch noch auf dem Oktoberfest, daheim oder in der Kneipe ohnmächtig vom Schemel rutschen, vor Autos rennen oder einfach auf der Straße einschlafen. Auf dem berüchtigten Kotzhügel hinter den Zelten (in München auch »Speib-Buckel« genannt) spielen sich zuweilen Szenen ab, die wahrlich nichts für zarte Gemüter sind. Wenn es gut geht, stehen die Alkoholopfer irgendwann allein wieder auf und wanken heim. Andere dagegen landen direkt im Krankenhaus. Und manche auch auf der Intensivstation.
    Einen wirklich tragischen Fall erlebte während der letzten Wiesn unser Pressechef, der an diesem Abend beruflich mit Münchner Reportern auf der Wiesn gewesen war. Auf dem Heimweg stürzte ihm nahe des Oktoberfest-Haupteingangs gegen 23 Uhr plötzlich ein kräftiger Bursche direkt vor die Füße. Der junge Mann hatte noch nicht mal mehr den Versuch gemacht, sich mit den Händen abzustützen, und schlug daher mit dem Kopf voran voll auf dem Asphalt auf. Das gab ein Geräusch wie eine platzende Melone, die aus größerer Höhe herabfällt. Jeder Feuerwehrmann weiß, was das bedeutet: Schädelbruch! Bewusstlos und blutüberströmt, blieb er liegen, umringt von grölenden Betrunkenen, die ihn mit Gewalt wieder auf die Füße zerren wollten. Unser Kollege drehte ihn in die Seitenlage, überwachte seine Atmung und wies Passanten an: »Rufen Sie sofort die 112 an!« Einer Frau wurde dabei von Betrunkenen einfach das Handy aus der Hand geschlagen.
    Der vormals völlig gesunde und lebensfrohe Mann (32) lag danach wochenlang auf der neurologischen Intensivstation. Er war so betrunken gewesen, dass selbst elementarste Reflexe seines Körpers nicht mehr funktionierten. Er hatte bereits im Laufen Erbrochenes so tief eingeatmet, dass er daran beinahe erstickt wäre. Aufgrund der minutenlangen Sauerstoffunterversorgung und einer schweren Hirnblutung wird er wahrscheinlich lebenslang mit den Folgeschäden zu kämpfen haben.
    Auch die vielen Schlägereien enden zuweilen höchst dramatisch. Vor allem dann, wenn sich Männer (und zuweilen auch Frauen) im Streit die schweren Maßkrüge auf die Köpfe schlagen oder die Krüge einfach in die Menge werfen. Selbst einen Kollegen hat es schon schwer getroffen. In einem Zelt traf ihn ein Maßkrug am Kopf. In der Folge verlor er seinen Geruchssinn und war damit für den Branddienst untauglich.
    Technische Unfälle geschehen übrigens eher selten. Der wohl folgenschwerste Unfall ereignete sich am 30. September 1996, als auf einer Achterbahn während der Fahrt zwei Wagen zusammenprallten. Dabei gab es 26 zum Teil Schwerverletzte, die wir mit Knochenbrüchen, Rückenverletzungen und schweren Schocks aus großer Höhe retten mussten. Mit Leitern stiegen die Kollegen damals auf die Achterbahn und trugen die Verletzten vorsichtig nach unten. In der Folge dieses Unfalls beschloss man, für solche Fälle eine sogenannte Hub­rettungsbühne zu beschaffen. Das ist unser größtes, höchstes und teuerstes Rettungsgerät mit einer Arbeitsplattform, die sich bis auf 53 Meter Rettungshöhe ausfahren lässt. Auf dem Oktoberfest gibt es zwar noch höhere Fahrgeschäfte wie zum Beispiel Power Tower (66 Meter), Rocket (55 Meter) oder Star Flyer (55 Meter). Diese Fahrgeschäfte lassen sich im Notfall aber alle manuell nach unten fahren. Während der Öffnungszeiten dieser Megafahrgeschäfte wird unsere Hubrettungsbühne darum jeden Tag von der Feuerwache 9 im Osten der Stadt auf unsere Feuerwache 3
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