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Notruf 112

Notruf 112

Titel: Notruf 112
Autoren: Christian Seifert , Christian
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Blödsinn kommentarlos und still lächelnd an, befreite den Mann problemlos von dem störenden Objekt und stellte dem Patienten ganz zum Schluss nur eine einzige Frage: »Eines sollten Sie mir aber schon noch erklären: Wieso war der Bürstenstiel eigentlich eingeseift?«

Blaulichtparanoia
    Soll ich Ihnen mal verraten, wie Sie die Disponenten der Integrierten Leitstelle gewaltig verärgern können?
    Zünden Sie ein schönes, großes Osterfeuer an – aber sagen Sie uns vorher bloß nicht Bescheid. Planen Sie Dreharbeiten für eine Amokszene mit wilder Schießerei und möglichst vielen schreienden Menschen – natürlich ohne uns vorher darüber zu informieren. Veranstalten Sie eine große Feueralarmübung mit Hunderten Kindern – selbstverständlich ohne die Leitstelle Ihres Vertrauens einzuweihen. Das löst meist eine ganze Reihe von Notrufen von Augenzeugen aus, die diese Szenarien für einen Ernstfall halten. Daraufhin rückt die ganze Blaulichtarmada aus. Natürlich alles für die Katz. Das ist nun wirklich ärgerlich und wäre meistens so leicht zu vermeiden gewesen.
    Zur Ehrenrettung der Institutionen, Vereine, Behörden und Firmen dieser Stadt sei gesagt: Die Verständigungskultur hat sich in den letzten Jahren stark gebessert. Auch wenn es zuweilen immer noch Missverständnisse gibt – speziell was die zeitlichen Abläufe betrifft. Diese Telefongespräche, zumeist mit Vorzimmerdamen oder den Verantwortlichen der Vereine, hören sich dann beispielsweise so an:
    »Grüß Gott. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass wir übermorgen um elf Uhr in unserem Bankinstitut unsere Notstromaggregate testen werden.«
    Schön zu wissen. Dieselbetriebene Notstromaggregate machen nämlich Lärm, rauchen und können Stromschwankungen verursachen, die wiederum Fehlalarme im Brandmelde- und Schließsystem auslösen können. Diese würden dann vielleicht als Alarm bei uns auflaufen. Ähnliche Situationen könnte man sich in Krankenhäusern, Theatern, Behörden, Hotels, Brauereien, Museen, Filmstudios, Großlaboren, Kaufhäusern, Rechenzentren, unterirdischen Bahnhöfen usw. vorstellen. Notstromaggregate haben aber auch noch eine weitere Eigenschaft. Sie qualmen kräftig und rufen zuweilen aufmerksame Bürger auf den Plan, die in Verkennung der Lage einen Brand melden.
    Ich bin der Firmenmitarbeiterin also durchaus dankbar für ihre Ankündigung. Nur: Die Meldung kommt viel zu früh. Also sage ich: »Würden Sie uns das bitte noch einmal übermorgen kurz vor Beginn der Übung mitteilen?«
    »Aber wieso denn? Ich habe es Ihnen doch jetzt gesagt und Sie könnten es sich doch notieren, oder nicht?«
    Könnte ich schon. Macht aber überhaupt keinen Sinn. In zwei Tagen fließt noch so viel Wasser die Isar hinunter. Die Übung könnte verschoben, im Ablauf verändert oder auch abgesagt werden. Und dann gibt es noch ein weiteres, weitaus gravierendes Problem: Woher weiß ich, dass diese Anruferin wirklich die Sekretärin der Bank ist? Wer garantiert mir, dass es sich tatsächlich nur um eine Übung und nicht um die raffinierte Vorbereitung zu einem groß angelegten Bankraub oder gar einen Anschlag handelt? Das kann ich der Frau in dieser Offenheit natürlich nicht sagen. Und so legt diese Dame ziemlich angefressen auf – nicht ohne mir noch einen kleinen schnippischen Nachsatz hinterhergeworfen zu haben: »Tja wenn Sie’s schwierig haben wollen. Bitte sehr. Ruf ich halt übermorgen noch mal an …« Und ich würde darauf wetten, dass sie nach dem Auflegen laut »Blödmann!« gerufen hat.
    Nichts für ungut, bitte. Das ist keine Schikane. Es ist nur das gesunde Misstrauen der Disponenten der Integrierten Leitstelle, denen man eingebläut hat, die Kontrolle grundsätzlich über das Vertrauen zu stellen. Außer der Polizei (sofern sie über die interne Leitung kommt) und den uns bekannten Wartungsmonteuren von Brandmeldeanlagen (die ein bei uns hinterlegtes Codewort haben) vertraue ich grundsätzlich niemandem. Nicht weil ich ein misstrauischer Uhu bin, sondern weil unsere Abläufe es nun mal nicht anders vorsehen.
    Nahezu täglich und immer erst wenige Minuten bevor in München technische Probeläufe, Dreharbeiten oder Räumungsübungen stattfinden, werden Uhrzeit, Umfang und Adresse für alle Disponenten dokumentiert. Je nach Umfang werden diese Daten für alle sichtbar auf die große Leinwand projiziert. Sollte dann ein Notruf mit der gleichen Adressangabe eingehen, erkennt das System sofort den Zusammenhang. Andernfalls – und wenn
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