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Notruf 112

Notruf 112

Titel: Notruf 112
Autoren: Christian Seifert , Christian
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aus Pauls Gesellenzeiten, der ihn nicht im Stich ließ.
    Um 16 Uhr schloss sich Paul mit zwei Wurstsemmeln und dem Material in unsere Sattlerei ein, war für niemanden mehr zu sprechen und nähte in Rekordzeit ein erstklassiges Elefantentransportnetz, verstärkt mit alten Sicherheitsgurten aus unseren Fahrzeugen. Um 20.30 Uhr wurde es Jamuna Toni bereits angezogen, es passte wie angegossen. Der sonst stets gut gelaunte Paul kam ziemlich still aus dem Tierpark zurück. Von Freude keine Spur. Die Leiden des Tieres und die Verzweiflung seiner Pfleger hatten ihm mächtig zugesetzt.
    In der Zwischenzeit hatten der Fahrzeugmeister und ich auf der Suche nach einem geeigneten Fahrzeug sämtliche große Verleihfirmen und Fahrzeugniederlassungen abtelefoniert. Selbst von seinem Urlaubsort aus schaltete sich noch einer unserer Brandräte mit guten Beziehungen zur Autobranche ein. Zwei Meter hoch mit Arbeitsfläche, Klimaanlage und getönten Scheiben (gegen unliebsame Gaffer) sollte das Transportfahrzeug sein. Die Kosten – so hatte man uns in Hellabrunn mittlerweile sogar schriftlich versichert – würden in diesem Fall keine Rolle spielen. Alle wollten helfen, unseren Münchner Minijumbo zu retten.
    Weil sich der Zustand des Tieres im Laufe des Abends dramatisch verschlechterte, wurde Jamuna Toni schließlich zwar in Pauls Netz, aber in einem gewöhnlichen Tierparkfahrzeug eilends nach Augsburg gefahren.
    Leider gab es keine Rettung mehr. Jamuna Toni wurde am 14. Juni 2010 von ihren Leiden erlöst. Seit damals aber weiß ich, dass wir im Notfall in der Stadt überall verlässliche Freunde haben. Am Ende jenes ereignisreichen Tages hatten wir von mehreren großen Fahrzeugfirmen Zusagen – genug für eine ganze Elefantenflotte.
    Ein paar Tage später bekamen wir ein Dankesschreiben des Tierparks Hellabrunn. Ich habe es in einer sentimentalen Anwandlung bis heute aufgehoben. Weil es mich einfach gefreut hat.
    Ganz München hat damals tagelang um das Elefantenkind getrauert. An meinem Spind fand ich am nächsten Tag ein großformatiges Zeitungsposter des kleinen Elefanten mit dem rührseligen Titel »München wird dich nie vergessen«. Jemand hatte in Großbuchstaben hinzugefügt : »... und der Christian dich auch nicht«. Das stimmt.
Das Grauen im Keller
    Ob ich ein Tierfreund bin? Aber selbstverständlich! Ich bin schließlich auf dem Land groß geworden, bin den Umgang mit großen und kleinen Tieren gewohnt. Mein Sittich Hansi ist steinalt geworden. Und unser Familiendackel Seppi begrüßt mich bei jeder Heimkehr wie den verloren geglaubten Sohn. Da habe ich also wohl alles richtig gemacht. Ich bin auch noch nie ernsthaft gebissen, gekratzt oder getreten worden oder sonst wie in Ungnade gefallen in unserer heimischen Tierwelt. Wenn man von einer höchst unangenehmen Begegnung mit einem angeblich zahmen Waschbären mal absieht. Dazu später mehr.
    Es gibt allerdings Wesen, die bringen mich aus der Fassung. Alles was mehr als vier oder – schlimmer noch – überhaupt keine Beine, Schuppen oder gespaltene Zungen hat, bleibe mir vom Leibe. Ich kenne nicht den Grund für diese ausgeprägte Aversion. Aber fette Spinnen, Schlangen und Echsen lösen bei mir auf der Stelle Angstgefühle und einen schier unbezwingbaren Fluchtreflex aus. Vor allem wenn sie an Stellen auftauchen, an denen ich überhaupt nicht mit ihnen gerechnet habe.
    Ich erinnere mich da mit Grausen an eine Begegnung der schlimmsten Art während eines Kellerbrandes. Kellerbrände sind für Feuerwehrleute in jeder Beziehung eine besondere Herausforderung, bei der jeder von uns ganz vorne dabei sein möchte. Kellerbrände sind unter Umständen sehr gefährlich. Die Sicht ist meist gleich null, die Räume sind eng, verwinkelt, nicht selten zugestellt. Und nie weiß man, was die Bewohner da unten alles gelagert haben. Gasflaschen, Pflanzengifte, Gummireifen, größere Mengen Sprit, Spiritus, Farben oder Lacke, im schlimmsten Fall hochexplosives Feuerwerk oder gar Munition – alles schon da gewesen.
    Ich rutsche also auf den Knien zusammen mit meinem Kollegen die Stufen hinunter in das schwarze, vollkommen verrauchte Kellerloch eines großen, alten Münchner Einfamilienhauses. Der Stresspegel steigt rapide an. Die einzig sichere Verbindung zur Außenwelt ist in diesem Fall der Schlauch, den ich unter keinen Umständen aus den Händen lassen werde. Im Ernstfall ist er nämlich die einzige Orientierungshilfe, wenn wir hier den sofortigen Rückzug antreten müssten. Wenn
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