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Notizen aus Homs (German Edition)

Notizen aus Homs (German Edition)

Titel: Notizen aus Homs (German Edition)
Autoren: Jonathan Littell
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hindurchschlängelt. Endlich, in einem anderen Dorf, ein Haus, dasselbe wie auf der Hinfahrt, mit demselben Gastgeber. Kurzer Aufenthalt, die Motorräder kommen uns abholen. Jetzt in der Nacht ist es kalt, ich friere auf meinem Motorrad, das ohne Licht um die Pfützen herumrumpelt, der Fahrer orientiert sich im Mondschein. Oben funkeln die Sterne, ich erkenne Orion, die Plejaden. Grenzübertritt. Junge Soldaten wärmen sich scherzend in einer Hütte auf, der Fahrer würgt den Motor ab, kein Problem. Anderes Haus: Ich wärme mir draußen vor einem Kohlefeuer die Hände, einen Moment lang allein, eine schöne Aufmunterung.
     
    Dann führt man mich ins Empfangszimmer des Hauses. Ein alter Mann mit einem Baby auf dem Schoß ist dort, dem ich Hustentabletten gebe, und, was sehr selten ist, eine Dame, die anfängt, Allah anzurufen, als ich ihr erzähle, dass ich zwei Kinder habe. Dann ist Abfahrt. Ibn Pedro ist verschwunden, und Der Zorn, mit dem ich ein Erinnerungsfoto mache, kommt nicht mit. Wir verabschieden uns, und Der Zorn setzt mich in einen Pick-up, der mit irgendetwas beladen ist, mit zwei Bauern, einem kleinen mageren mit Schnurrbart und einem dicken, und sagt mit breitem Lächeln »Beirut, Beirut«. Dawai , Beirut, ab hier scheint es einfach zu sein. Doch mit den beiden Trotteln wird es der schlimmste Abschnitt der Fahrt. Nach einem Kilometer winkt der Dicke mir, mit ihm auszusteigen: Wir sind kurz vor einem Checkpoint der libanesischen Armee, den wir umgehen müssen. Der Dicke nimmt meine Tasche und geht voran über die gepflügten Felder, der Matsch ist klebrig, aber zum Glück nicht zu weich. Sehr schnell fällt mir auf, dass wir genau in dem weißen Licht des Checkpoint-Scheinwerfers gehen, mein Schatten erstreckt sich auf dem Feld über zehn Meter, sie müssen uns sehen können wie am helllichten Tag und könnten uns abknallen wie die Hasen. Sie schießen nicht, wir kommen nach und nach aus dem Scheinwerferlicht heraus, aber der Dicke fängt an zu rennen, ich folge ihm, so gut ich kann, so laufen wir sicher mehr als einen halben Kilometer, um den Checkpoint herum bellen Hunde, in der Ferne sehe ich den Pick-up, der durch den Checkpoint gefahren ist und mit ausgeschaltetem Licht wartet. Genau in dem Moment kommt auf der Straße ein Fahrzeug an, wir rennen und ich springe mit dem Dicken in den Pick-up, gerade noch rechtzeitig. Es ist ein ziviler Lkw, wenn es ein Fahrzeug der Armee gewesen wäre, wären wir erledigt gewesen.
     
    Wir fahren los, auf die große Straße, da, wo wir auf der Hinfahrt die Motorräder getroffen hatten, und beschleunigen, so gut es die lahme Klapperkiste hergibt, was gar nicht so schlecht ist. Dann erreichen wir endlich einen großen Checkpoint, den Grenzposten offenbar. Die Männer parken direkt daneben, neben einem anderen Kleintransporter, und wir steigen aus. Rechts vor dem Checkpoint ist ein dubioser Laden, vor dem ein gleichmütiger Mann mit Kufije sitzt. Ich gehe hinter dem schnurrbärtigen Bauern hinein und schaue zu, wie er ein paar Worte mit dem Inhaber wechselt. Dann gehe ich wieder raus, immer noch beobachtet von dem Mann mit der Kufije. Der Dicke zieht mich neben den Laden und bedeutet mir, so zu tun, als würde ich pinkeln. Ich tue so, als würde ich pinkeln. Als er sich umdreht, drehe ich mich auch um. Genau vor dem Checkpoint steht ein massiger Mann mit Stoppelschnitt und in Lederblouson, der gerade aus einem militärisch aussehenden Jeep ausgestiegen ist, und spricht mich auf Arabisch an. Er ist erkennbar ein Offizier, auch wenn er nicht in Uniform ist. Ich sehe ihn an, zucke mit den Schultern und gehe zum Pick-up. Neben mir grinst ihn der Dicke dümmlich an. Wir steigen in den Pick-up und fahren los. Der Militär interessiert sich schon nicht mehr für uns und geht auf den Laden zu. Wir wenden und fahren in vollem Tempo zurück auf die große Straße. Ich drehe mich um, aber die Militärs folgen uns nicht. Vorsichtshalber lösche ich die Erinnerungsfotos von Dem Zorn. Nach einigen Kilometern biegen wir schließlich rechts von der Straße ab auf einen unbefestigten Weg. Ich frage mich, warum wir den nicht gleich genommen haben. Rumpelnd umrunden wir den Checkpoint, fahren von oben in das Dorf, an einer modernen großen Kirche vorbei, dann wieder auf die Straße und weiter. Wenig später kommen wir zu einem weiteren Checkpoint, aber es ist eine normale Straßensperre der Armee, die wir ohne Probleme passieren.
     
    Ein Stück weiter halten die beiden Bauern einen
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