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Notizen aus Homs (German Edition)

Notizen aus Homs (German Edition)

Titel: Notizen aus Homs (German Edition)
Autoren: Jonathan Littell
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nicht gut, aber von Zeit zu Zeit erhalten sie Informationen. Die Sonne scheint und lässt die ganze flache Landschaft und die matschigen Pfützen erstrahlen, wir sind abwechselnd auf Schlammwegen und befahrenen Straßen und kommen durch mehrere Dörfer; hinten versperrt der Dschebel Lubnan den Horizont, blassblau, eine lange Fransenkette von weißen Wolken klammert sich an die verschneiten Bergkämme. Es ist heiß im Führeraus, man wird durchgeschüttelt, wir kommen an Schmugglern vorbei, die ihre Motorräder mit Heizölkanistern beladen haben, Bauern auf Traktoren, Beduinenlagern, grünen matschigen Feldern.
     
    13.30 Uhr. Pause in einem Dorf. Im Fernsehen Ismail Haniyya. Der Fahrer, der die beiden anderen abgesetzt hat, stößt zu uns, es ist Abu Abdallah, derselbe Mann, der uns nach Homs gebracht hatte. Keine Ahnung, wie lange wir warten werden, man sagt mir nichts, und ich würde es auch nicht verstehen. Ich versuche, die Lektüre der Vergleichung des Lysandros mit Sulla wieder aufzunehmen, aber man bringt mir das Mittagessen, reichlich und köstlich wie immer, hartgekochte Eier und ful mit Sauce. Danach lese ich, das Warten zieht sich in die Länge. Raed ruft endlich an und bestätigt mir, dass wir direkt in den Libanon fahren, inschaallah .
     
    14.30 Uhr. Es geht weiter, mit Abu Abdallah. Straßen, Dörfer, dann matschige, kaputte Wege, wie auf der Hinfahrt. Wir begegnen einem steten Strom von Lkws und Kleintransportern, die Güter in die andere Richtung bringen. Dann wieder eine Straße, auf der wir, zu meiner riesigen Freude, meinen alten Freund Den Zorn mit seinem klapprigen Pick-up wiedertreffen. Er bringt mich und Ibn Pedro nach Qusair, in dasselbe Haus, in dem wir auf der Hinfahrt übernachtet hatten, das von Abu Amar, der immer noch genauso gastfreundlich und herzlich ist. Mayte [ Carrasco, eine befreundete spanische Journalistin, die für TV Cinco arbeitet ] ist in der Stadt, Der Zorn bringt mich dorthin, wo sie mit ihren Kollegen wohnt, und ich beschreibe ihnen schnell die Lage. Sie sind seit fünf Tagen in Qusair, sie warten immer noch darauf, in die Stadt zu kommen. Ob Ibn Pedro sie hinbringen könnte? Ich kehre mit dem Aktivisten, der ihnen hilft, einem Typen, der ein bisschen Englisch spricht, zurück in Abu Amars Haus. Antwort von Ibn Pedro: Ich bringe sie hin, wenn Abu Hanin mich darum bittet. Aber Abu Hanin ist nicht zu erreichen. Bukra as-sobh inschaallah .
     
    Der Zorn erhält einen Anruf: Der Weg ist frei. Um 16.30 Uhr fahren wir los, wieder zu dritt mit Ibn Pedro in das Führerhaus des Pick-ups gequetscht. Die Kalaschnikow ist immer noch da, aber wir werden sie zuerst einmal in dem Bauernhof deponieren, in dem wir auf der Hinfahrt versucht hatten, den Kommandanten zu treffen; Der Zorn hingegen behält seine Granate, mit der er mir lachend vor dem Gesicht herumwedelt. Wir halten auch noch an einem weiteren Haus, aus dem er mit einem Umschlag voller Dollars wieder herauskommt, Hundert-Dollar-Noten, den berühmten »Ben Franklins«, und Bündeln Syrischer Lira, sowie einem Kästchen butterweicher, exquisiter Datteln. Die Fahrt bis zur Grenze dauert eine Stunde, dieselben Straßen wie auf der Hinfahrt. Die Sonne geht hinter dem Dschebel unter, die Pfützen im Schlamm glitzern wie blassgelbe Spiegel, der Himmel wird fahler, alles ist blau, braun und grün. Stau von Lkws aller Größen an einem FSA-Checkpoint, die Kleintransporter bleiben im Schlamm stecken, die Männer schieben. Der Zorn und Ibn Pedro unterhalten sich, ich weiß nicht, worüber. Dann endlich eine Straße, Der Zorn beschleunigt den Pick-up auf 100–120 km/h, das ist noch furchterregender als die Möglichkeit einer mobilen Straßensperre. Umweg, um zu einem Haus zu gelangen, in dem dicke Bündel Syrischer Lira neben der sobia liegen. » Bukra Lubnan «, sagt mir der Gastgeber, ein dicker Mann, mit einem breiten Lächeln, » al-jom hon .« Ich, niedergeschlagen: »Was, fi mischkil? Al-jom mafi Lubnan? « 64 Der Zorn lacht: » Jallah, jallah .« Der Mann wollte mir nur seine Gastfreundschaft anbieten, wie es sich gehört. Zum Glück sind es keine Georgier, er besteht nicht darauf. Beim Losfahren stopft Ibn Pedro im Führerhaus Geldbündel in eine Plastiktüte, dieselben, die neben der sobia lagen, glaube ich. Der Zorn rast die Straßen entlang, es wird dunkel, er überholt die anderen Fahrzeuge, ohne abzubremsen, brettert durch ein Dorf, indem er sich in der Dunkelheit zwischen den Motorrädern und den Fußgängern
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