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Notizen aus Homs (German Edition)

Notizen aus Homs (German Edition)

Titel: Notizen aus Homs (German Edition)
Autoren: Jonathan Littell
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mit seinen beiden kleinen Söhnen an, sehr süß und schüchtern. Die Männer lassen die Kinder mit Pistolen spielen, gesichert, aber geladen.
     
    17 Uhr. Ein Kampfhubschrauber Mi-24 kreist über dem Viertel. Die Männer sind unzufrieden mit Juppés Auftritt vor dem Sicherheitsrat. Sie fangen ein Videospiel an, Fußball. Raed ist seit einigen Stunden verschwunden, ohne eine Nachricht hinterlassen zu haben.
     
    Ich bitte Alaa, mit mir auf dem Motorrad Raed zu suchen. Er weiß nicht, wo wir hinfahren sollen, aber das wird sich finden. Wir weichen den Pfützen aus, fahren ohne Licht auf eine lange große Straße, zum zweiten Gesundheitszentrum, dem von Imad, dann zur Klinik, jener, in der wir heute Nachmittag waren; dort schickt man uns zu einem ersten Haus von Aktivisten, aber es ist das, in dem wir den kommunistischen Anwalt getroffen hatten, es sind nur ein paar Männer da, schließlich finden wir die Wohnung des maktab . Raed ist dort, mit Marcel, er sitzt am Computer und versucht seine Dateien zu retten. Ich bedanke mich bei Alaa, der wieder abfährt.
    Dutzende von Aktivisten sitzen überall herum, mit ihren Laptops, alle auf YouTube oder Facebook oder Twitter. Jemand bietet mir ein Sandwich mit Hähnchen und Pommes an, und man leiht mir einen Macintosh, endlich E-Mail, entsetzlich langsam. Die irische Journalistin ist schon abgefahren. Abu Hanin fragt mich aus: »Warum seid ihr nicht zu uns gekommen? Warum habt ihr uns gemieden?« Ich antworte diplomatisch. Als ich den Begriff » maktab al-iilami « ausspreche, leugnet Abu Hanin, dass ein solches Büro existiert: »Wir sind nur ein paar Freunde, das ist alles.« An den Wänden Fotos von Märtyrern. Kurze politische Diskussion, aber sie führt nicht sehr weit.
    Später neue Diskussionen. Abu Hanin sagt mir, wenn unsere Leute mich über die autostrada bringen können, können seine dann den Rest übernehmen. Verspricht mir, dass er mich, wenn es geht, morgen oder Samstag rausbringt. Freitag ist nicht gut, das ist ein gefährlicher Tag wegen der Demonstrationen.
    Raed ist völlig von seinen Computerproblemen absorbiert und hört kaum zu, wenn ich mit ihm spreche. Schließlich lasse ich ihn da sitzen und lasse mich von einem Freund des lebenden Märtyrers zurück in die Wohnung bringen.

 
    Donnerstag, 2. Februar
    Baba Amr – Qusair – Grenze – Beirut
     
     
    10.30 Uhr. Frühstück, bestehend aus Brot, Olivenöl, zatar , grünen Oliven und Tee mit Hassan, Imad und Ahmad. Keine Spur von Raed. Imad versichert mir, dass ich heute abfahre, gibt mir zu verstehen, dass Ibn Pedro dabei ist, die Route überprüfen zu lassen. Niemand geht ans Telefon. Wir warten.
     
    11 Uhr. Raed kommt. Vage, ausweichend, erledigt, nachdem er die Nacht an seinem Computer verbracht hat, begrüßt mich kaum. Spricht mit Imad, übersetzt aber nichts, erklärt nichts. Dann geht er zu dem Nachbarn, bei dem wir vorgestern geschlafen haben. Fünf Minuten später Ankunft von Ibn Pedro. » Jallah .« Ich will auf Raed warten, aber er lehnt ab: »Jallah, jallah.« Ich steige in ein Auto, in dem sich schon zwei andere Personen befinden, die auch rausfahren. Abfahrt. Ich rufe Paris an und erkläre die Situation, aber keine Möglichkeit, Raed zu erreichen, der immer noch nicht seine SIM-Karte ausgetauscht hat.
     
    In Homs funktionieren zwei Netze, Syriatel und MTN . Raed hatte eine MTN -Nummer, aber seit unserer Rückkehr nach Baba Amr funktionierte MTN immer schlechter; Syriatel zwar auch, aber besser als MTN . Ich hatte Raed deshalb vorgeschlagen, er solle zu Syriatel wechseln, was er etwas später auch tun wird. Ein paar Tage später wurden alle Handynetze von Homs abgeschaltet. Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich dies schreibe, sind sie noch nicht wieder verfügbar.
     
    Fahrt über die autostrada . Es ist 12.40 Uhr. In einem Haus etwas weiter weg beten die Männer, die vor uns losgefahren sind, und warten auf uns. Neben seiner schwierigen, launischen Seite hat Ibn Pedro ein wunderschönes strahlendes Lächeln, das sich zeigt, sobald das Gebet beendet ist.
     
    Wir trennen uns: Die beiden anderen fahren in die eine Richtung, ich mit Ibn Pedro und einem Fahrer in einem kleinen Suzuki-Transporter in die andere, offenbar direkt in den Libanon. Ibn Pedro hat eine Kalaschnikow zwischen die Beine geklemmt, der Fahrer ist ebenfalls bewaffnet, falls wir auf eine mobile Straßensperre stoßen, wird es nicht gut ausgehen. Unterwegs hängen die beiden Männer an ihren Handys, Ibn Pedro hat drei, das Netz ist
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