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Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme
Autoren: Linda Fairstein
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eins auf den Hut bekommen, weil er mich zu einem so frühen Zeitpunkt verständigt hatte. McGraw wäre es lieber gewesen, zuerst den Commissioner zu informieren und uns erst dann zu rufen. Ich kramte das Plastikschild des NYPD aus dem Handschuhfach und legte es auf das Lenkrad – es erhob meine Anwesenheit zur »Offiziellen Polizeiangelegenheit«. Die numerierten Parkausweise waren schwieriger zu bekommen, als man ein Sechser im Lotto landete, und einige meiner Kollegen betrachteten sie als größten Vorteil ihres Jobs.
    Ich stieg aus, trat mitten in eine schmutzige Pfütze und legte einen Schritt zu, um McGraw einzuholen, so dass ich in seinem Kielwasser durch die Sicherheitsabsperrungen gelangen konnte. Die Square Badges – Polizeislang für die unbewaffneten Posten, die in Kliniken, Kinos, Stadien und Kaufhäusern Wache standen – schienen an diesem Morgen aufmerksamer als gewöhnlich und waren durch Polizisten verstärkt worden. Alle erkannten den Chief of Detectives und grüßten ihn förmlich. Mit schnellen Schritten passierten wir den endlos langen Zentralkorridor des Medical Center und ließen vier doppelflüglige Schwingtüren hinter uns, bevor wir von einem Detective, den ich noch nie gesehen hatte, zu einem Durchgang geführt wurden, über dem Minuit Medical College stand.
    McGraw lief doppelt so schnell wie gewöhnlich, und nach den Blicken zu urteilen, die er auf meine hochhackigen Pumps warf, hoffte er, mich dadurch abzuhängen – damit er wenigstens ein paar Minuten allein mit seinen Leuten sprechen konnte, bevor ich meine Nase in die Sache steckte. Aber dank meiner regelmäßigen Aerobic- und Ballettstunden konnte ich problemlos Schritt halten, und als wir die Aufzüge erreichten, ging sein Atem schon deutlich schneller. Ich konnte mir nicht verkneifen, ihm auf unserem gemeinsamen Weg in die neurochirurgische Abteilung einen Abstecher in die Kardiologie vorzuschlagen. Wie die meisten seiner Kollegen vergaß McGraw, dass Ginger Rogers Fred Astaire in nichts nachstand – außer dass sie es rückwärts tat und dabei Schuhe mit Schwindel erregend hohen Absätzen trug.
    Als sich der Aufzug öffnete, stiegen wir ein, und ich drückte die sechs. Ich bemühte mich, eine Unterhaltung mit dem jungen Detective in Gang zu bringen, um seinem Chef Gelegenheit zum Verschnaufen zu geben, aber der Detective ignorierte meine Versuche mit steinerner Miene und schien keine Lust zu haben, mir irgendwelche Informationen zukommen zu lassen, solange McGraw in Hörweite war. Endlich erreichten wir das sechste Stockwerk. Erleichtert sah ich die vertrauten Gesichter der Mordkommission B, eines unserer vier Teams. Die Männer waren im Foyer versammelt. Mit aufgekrempelten Ärmeln standen sie herum, frische Notizblöcke in den Händen; auf den Tischen stapelten sich Kaffeetassen. Durch die Adern der Männer pumpte Adrenalin – das sie in den folgenden Tagen und Nächten, bis der Fall aufgeklärt sein würde, noch dringend brauchten.
    Mein Erscheinen rief bei den Jungs die verschiedensten Reaktionen hervor: einige freundliche namentliche Begrüßungen von jenen, mit denen ich mich gut verstand oder mit denen ich schon früher mal zu tun hatte, ein paar unpersönliche Grunzer, die von einem »Hallo, Counselor« begleitet wurden, von jenen, die mir gleichgültig gegenüberstanden, bis hin zu zweien, die mich vollkommen ignorierten.
    McGraws Adlatus flüsterte seinem Chef etwas ins Ohr, dann gingen sie Seite an Seite durchs Foyer auf eine Tür zu; mir gab der Chief zu verstehen, dass ich davor auf ihn warten möge. George Zotos, ein Detective, der seit Jahren gute Arbeit leistete, kam grinsend auf mich zu. »Jetzt bekommt Chapman einen Satz heiße Ohren verpasst. Das Letzte, was McGraw im Augenblick hier haben will, ist die Staatsanwaltschaft – und das allerletzte eine Frau. Der Commissioner war auf ‘ner Konferenz in Puerto Rico und fliegt eigens wegen dieser Geschichte früher zurück. Der Chief holt ihn um zwölf am JFK ab – und bis dahin braucht er alle Details, wenn möglich noch den Namen des Mörders. Setz dich, trink ‘nen Kaffee, ich hol’ dir inzwischen Mike. Der wird dich schon auf Touren bringen.«
    Er streckte mir den Becher mit seinem eigenen Gebräu entgegen – hellbraun mit Unmengen von Zucker. Ich rümpfte die Nase und erkundigte mich, ob auch ein ordentlicher schwarzer Kaffee greifbar sei. George deutete auf einen Karton mit mindestens einem Dutzend noch verschlossener Plastikbecher. Ich entdeckte
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