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Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme
Autoren: Linda Fairstein
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York County tätig war, hatte er mit einem Bereitschaftssystem gearbeitet, das sicherstellte, dass rund um die Uhr ein Vertreter der Staatsanwaltschaft auf Abruf bereit stand, der gemeinsam mit dem New York Police Department, kurz NYPD, in Mordfällen ermittelte. Verdächtige verhören, Haftbefehle ausstellen und Zeugen befragen – all diese Tätigkeiten gehörten zu den Aufgaben des Staatsanwalts, der laut Plan Bereitschaft hatte.
    »Das ist genau der richtige Fall für dich, Alex, ganz im Ernst. Die Ermordete wurde vergewaltigt. Mercer hat ganz Recht – für diesen Fall brauchen wir dich und deine Erfahrung.« Chapman bezog sich auf die Tatsache, dass ich die Sex Crimes Prosecution Unit leitete – Battaglias Vorzeigeprojekt, bei dem ein besonders sensibler Umgang mit Opfern von Vergewaltigung und Missbrauch im Vordergrund stand. Da diese Art von Verbrechen leider oft in Mord gipfelte, wurden ich und meine Kollegen auch mit den nachfolgenden Ermittlungen und Prozessen betraut.
    Ich griff in meine Nachttischschublade, in der der Bereitschaftsplan für den ganzen Monat lag, um festzustellen, ob ich einem von den besonderen Schützlingen des Bezirksstaatsanwalts auf die Füße treten würde und wie viel Ärger ich zu erwarten hatte. »Hm, mal sehen … bis heute Morgen acht Uhr hat Eddie Fremont Bereitschaft.«
    »Bitte bewahre mich vor dem«, entgegnete Mike. »Das Senatorensöhnchen. Der ist in einem Mordfall ungefähr so hilfreich wie meine Mutter. Fremont ist ‘ne Schlafmütze erster Klasse – ich glaube, dem würde das Motiv nicht mal dann auffallen, wenn es ihn in den Arsch beißt.«
    Chapman gab im Forlini’s, der Kneipe des Gerichtsgebäudes, oft parodistische Einlagen zum Besten. Er hatte den monatlichen Bereitschaftsplan in der Hand, verkündete den Namen des Dienst habenden Staatsanwalts und gab eine peinliche Episode des Betreffenden zum Besten. Fremont war für Chapman ein gefundenes Fressen – er war einer dieser brillanten Studenten, die mit akademischen Meriten glänzten, aber in der Praxis leider versagten. Niemand zweifelte daran, dass er den Job bekommen hatte, weil sein Vater – ein ehemaliger Senator von Indiana – Zimmergenosse von Paul Battaglia auf der Columbia Law School war.
    »Wenn du dich bis fünf nach acht geduldest, bekommst du Laurie Deitcher«, fuhr ich nach einem weiteren Blick auf den Bereitschaftsplan fort.
    »Die Prinzessin? Nein, Blondie, einmal und nie wieder. Der einzige Fall, den ich jemals mit ihr hatte, war schlichtweg eine Katastrophe. In der Mittagspause hat sie nicht etwa ihre Kreuzverhöre geplant oder Zeugen vorbereitet, oh nein, sie hat uns auf dem Gang warten lassen, während sie ihre elektrischen Lockenwickler ausgepackt und sich noch mehr Makeup ins Gesicht geklatscht hat. Vor den Geschworenen hat sie sich dann gebärdet wie Norma Desmond bei einer Nahaufnahme. Kam auf den Bildschirmen natürlich klasse rüber, aber der Täter ist als freier Mann aus dem Gerichtsgebäude marschiert. Nein, Coop, wirklich nicht. Du rufst Battaglia an und sagst ihm, dass Wallace und ich dich, mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt haben, weil du die Einzige bist, die unsere Fragen beantworten kann. Du überzeugst ihn schon, Cooper. Das ist dein Fall.«
    »Um welche Fragen geht’s denn zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel darum, ob sie vergewaltigt wurde, bevor oder nachdem sie starb. Zum Beispiel darum, ob sich der Zeitpunkt des Todes auf die Geschwindigkeit auswirkt, mit der sich Sperma im Körper abbaut, ob’s da Wechselwirkungen zwischen dem Sperma und ihren Körperflüssigkeiten gibt.«
    »Okay, ich verstehe. Natürlich lässt er mich einen solchen Fall bearbeiten. Was soll ich jetzt als Erstes tun?«
    »Komm so schnell wie möglich hierher. Und schick auch deine Videoleute. Die Spurensicherung war schon da und hat auch Fotos gemacht, aber sie hatten’s wieder mal ziemlich eilig. Ich befürchte, dass sie was Wichtiges übersehen haben könnten. Deshalb sollte deine Mannschaft nochmal anrollen und den gesamten Bereich aufnehmen. Wenn die Geschichte erst einmal an die Öffentlichkeit gelangt ist, wird’s dort vor Presse nur so wimmeln, und wir haben keine Chance mehr.«
    »Jetzt mal ganz langsam von Anfang an, Mike. Wo bist du überhaupt?«
    »Im Mid-Manhattan Medical Center. Minuit Building, sechster Stock.« East Forty-Eighth Street, direkt am FDR Drive. Das älteste und größte Krankenhaus der Stadt. Das Opfer musste dort eingeliefert worden sein, nachdem man es
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