Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme
Autoren: Linda Fairstein
Vom Netzwerk:
Operation teilnehmen. Das Team befand sich bereits mit gebürsteten Nägeln im OP, der Patient lag in Narkose und mit kahl geschorenem Schädel bereit – sie haben hier ein Amphitheater, in dem Studenten die Operationen beobachten können.«
    »Ich weiß, es ist eine sehr renommierte Uni-Klinik.«
    »Wer nicht erschien, war Dr. Dogen. Der Chirurg, Bob Spector, hat eine der Krankenschwestern losgeschickt, um Dogen anzurufen, aber es war nur der Anrufbeantworter dran, der mitteilte, dass sie sich nicht in der Stadt befände. Spector hat seine Kollegin und ihren vollgestopften Terminkalender verflucht, sich ein paar Studenten rausgepickt, die ihm dann assistierten, und dem armen Kerl auf dem OP-Tisch den Schädel aufgemeißelt.«
    »Ich sollte mich öfter bei Laura melden und ihr sagen, wo ich bin«, murmelte ich vor mich hin. Ich war ständig auf Achse, raste zwischen der Police Academy, der Kommandozentrale, der Beratungsstelle für Vergewaltigungsopfer am Krankenhaus und manchmal einem kurzfristig eingeschobenen Lunch mit einer Freundin hin und her. An manchen Tagen konnte meine Sekretärin Laura beim besten Willen nicht wissen, wo ich gerade war.
    »Woran denkst du gerade, Blondie? Stellst du dir gerade vor, wie der Richter eine Durchsuchung der Umkleideräume der Unterwäscheabteilung bei Saks anordnet und man dich dort tot auffindet – erwürgt von jemandem, dem du die besten Sonderangebote vor der Nase weggeschnappt hast? Hey, dreh dich schnell um, wenn du dich von McGraw verabschieden willst.«
    Der Chief ging auf den Aufzug zu und blieb kurz stehen, um Chapman zuzurufen: »Führen Sie Miss Cooper rum, Mike, und entlassen Sie sie dann bald. Ich wette, sie hat heute ‘ne Menge zu tun.«
    »Los geht’s. Hast du gestern Abend zufällig die Frage mitbekommen?«
    Mike meinte die Final-Jeopardy-Frage aus der Quiz-Sendung, nach der wir beide süchtig waren. »Nein, da war ich gerade unterwegs zum Stadion.«
    »Okay. Wissensbereich Verkehr. Wie viel hättest du gesetzt?«
    »Zwanzig Dollar.« Da wir unterschiedliche Stärken und Schwächen hatten, wanderte gewöhnlich alle paar Tage eine Zehn-Dollar-Note zwischen uns hin und her, aber dieser Wissensbereich schien mir nicht besonders abgehoben – er hatte weder mir Esoterik noch mit Religion zu tun.
    »Okay, die Frage lautet: Auf welchem US-amerikanischen Flughafen wird täglich das größte Frachtvolumen des Landes umgeschlagen?«
    Glück gehabt – eine Fangfrage. O’Hare konnte es nicht sein, denn das wäre zu einfach gewesen, außerdem ging es ausdrücklich um Fracht, nicht um Passagiere. Auf dem Weg zu Dr. Dogens Büro ging ich im Geiste alle großen amerikanischen Städte durch.
    » Die Zeit ist abgelaufen. Deine Antwort.«
    »Miami?« fragte ich vorsichtig und dachte an all die Tonnen Rauschgift, die dort Tag für Tag umgeschlagen wurden – aber natürlich konnten die Macher der Quiz-Sendung Schmuggelware nicht berücksichtigen.
    »Leider falsch, Miss Cooper. Wie wär’s mit Memphis? Das ist die Drehscheibe der Federal Express-Flugzeuge; ganz egal, welches Ziel sie haben, dort machen sie alle Zwischenlandung. Interessant, was? Her mit der Kohle.«
    »Warum? Hast du richtig geraten?«
    »Nee, aber das spielt bei unserem Quiz doch keine Rolle, oder?«
    Mike klopfte an die schwere Holztür, an der in eleganten Goldlettern Dr. Dogens voller Name und Titel standen. Mercer Wallace öffnete uns. Beim Anblick des Blut getränkten hellblauen Teppichs zuckte ich kurz zusammen. Es war schwer, sich vorzustellen, dass noch ein einziger Tropfen Blut in ihren Adern gewesen war, dass sie die Kraft hatte, sich ein Stück voranzuschleppen, was sie offensichtlich getan hatte. Es würde Tage dauern, bis mich das Tiefrot vor meinen Augen nicht mehr verfolgte.

3
    Mercer führte mich um den riesigen Fleck im Teppich herum und quer durch Gemma Dogens Büro hinüber zu ihrem Schreibtisch. Raymond Peterson, der Dienst habende Lieutenant der Mordkommission und mit dreißig Dienstjahren der Veteran der Abteilung, wandte mir den Rücken zu, während er in sein Handy sprach und dabei aus dem Fenster auf den East River und die Skyline von Queens blickte. Ein Beamter der Spurensicherung war noch mit den Aktenschränken beschäftigt; mit Handschuhen blätterte er Akten und Ordner durch, um zu entscheiden, welche Oberflächen er auf der Suche nach frischen Fingerabdrücken mit dem feinen Staub bepinseln sollte.
    Der normalerweise eher lakonische Peterson brüllte wütend ins Telefon.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher