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Nochmal tanzen - Roman

Nochmal tanzen - Roman

Titel: Nochmal tanzen - Roman
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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ruhten Alexander und sie sich unter dem Kirschbaum aus. Er nickte ein, sie versuchte zu dösen. Doch das Neue, die Frauen auf Alexanders Fotos, die Stimmen der Jungen und der Bammel vor dem Fenstersprung hielten sie wach. Ab und zu vernahm sie einen Schnaufer neben sich. «Von hier bringt Alexander niemand weg», dachte sie und war erstaunt, dass sie es wehmütig dachte.
    Auf dem Garagenplatz waren Fleur, Pascal, Lis und Manu so bei der Sache, dass die Welt für eine Weile nur aus ihnen, den Schuhen, der Kamera und dem Auto zu bestehen schien. Manu mit durchgedrücktem Kreuz, Lis quirlig, Pascal aufrecht locker, wie es nur junge Männer sind. Fleurs Gesten wurden von Stunde zu Stunde bestimmter, ihre Stimme lauter. Ob sie es bemerkte?
    Ende Semester ist der Theaterkurs zu Ende. Fleur sieht sie danach vielleicht ab und zu im Zug. Alice verschiebt das Kissen unter das Kreuz und streckt die Füße in die Luft. Am rechten Rist pocht ihr Herz. Das Blut, das sich in den Füßen gestaut hat, rinnt zurück. Sie hatte noch keine Gelegenheit, Fleur zu fragen, ob sie zufrieden ist mit den Fotos. In der Pizzeria unterhielt sie sich mit Pascal, da wollte Alice nicht dazwischengehen. Auf dem Heimweg waren sie zu müde zum Reden.
    Auf einmal ist alles anders. Da ist jemand, der Alice in den Arm nimmt, ihr Fragen stellt, sie in sein Leben lässt. Sie kann um Hilfe bitten, sich überraschen lassen, Freude bereiten, sich mitteilen. Sie hat jemanden, der sich freut, wenn sie sich schön macht, etwas Gutes kocht, ihre Zeichnungen zeigt. Da ist jemand, mit dem sie Weihnachten und Ostern verbringen kann, vielleicht sogar verreisen. Auf einmal kümmert es jemanden, wo sie steckt. Sie ist wichtig. Selbst die getigerte Katze schaute sie vorhin anders an als sonst.
    Sie kreist die Füße. Wie werden Elsa und Britt reagieren? Martin wird sich für sie freuen. Sie muss ihn morgen anrufen. Sie legt die Beine wieder aufs Sofa. Eigentlich möchte sie nur mit einem sprechen. Ihn ansehen, seine Stimme hören, seine Hand spüren. Soll sie ihn anrufen? Sie verwirft den Gedanken. Morgen. «Sehen wir uns morgen?», fragte er in der Pizzeria. «Nach dem Wäschewaschen», sagte sie, legte die Uhrzeit aber nicht fest. Morgen. Morgen, übermorgen, überübermorgen, nächste Woche, übernächste Woche.
    Kaum schließt Fleur die Wohnungstür hinter sich, streckt Mutter den Kopf aus dem Wohnzimmer in den Flur. «Und, wie wars?» Hinter ihr hört Fleur Fernsehstimmen.
    «Es hat alles geklappt.» Sie lässt das Gepäck fallen, streift die Schuhe ab. «Du hättest Alexanders Haus sehen sollen. Überall hängen Bilder.»
    «Von wem?»
    «Von Bill, von Bourgeois, eines von einer Schülerin der Fotoklasse. Mir wird er auch eines abkaufen, hat er gesagt.»
    «Schön.» Die Mutter tritt zu ihr und küsst sie auf die Wange. «Hat die Zeit für alle Fotos gereicht?»
    «Ja.»
    «Das hätte ich nicht gedacht.» Mutter gähnt. «Hast du Hunger? Soll ich etwas aufwärmen für dich?»
    «Nein, Alexander hat uns zum Pizzaessen eingeladen. Ich klemme mich hinter den Computer.» Als sie in ihrem Zimmer den Computer einschaltet, hört sie Mutter etwas rufen. «Was?» Keine Antwort. Sie geht ins Wohnzimmer. «Was hast du gesagt?» Mutter sitzt mit ausgestreckten Beinen auf dem Sofa und stellt einer jubelnden Kunstturnerin den Ton ab. «Mein Bewerbungsgespräch findet am selben Tag statt wie deine Aufnahmeprüfung an die Kunsthochschule.» Fleur erstarrt. Hat Mutter den Werbebrief aus dem Abfall gefischt? Um sich nichts anmerken zu lassen, sagt sie zur Turnerin, die sich in Zeitlupe überschlägt: «Was für ein Bewerbungsgespräch?»
    «Im Ortsmuseum von Batzikon. Sie suchen eine neue Leiterin.»
    «Klingt gut», sagt sie erleichtert.
    «Hoffentlich klappt es. Ich möchte die Stelle.»
    «Du musst dir ausmalen, wie du dort arbeitest, dann bekommst du sie.»
    Mutter lacht. «Wenn es so einfach wäre.»
    Fleur geht in ihr Zimmer und lädt die Fotos von der Kamera auf die Festplatte. Nimmt die Kunsthochschule sie auf, studiert sie am gleichen Ort wie Pascal. Sie könnte ihn so oft sehen, wie sie möchte. Er wird bestimmt aufgenommen von der Schauspielschule. Wer, wenn nicht er. Wie nahe sie ihm heute war. Auf der Hinfahrt, während des Fotografierens, beim Essen. Die Anspannung, die sie die letzten Wochen empfand, wenn sie ihn sah, war weg. Sie unterhielten sich fast so ungezwungen wie Michael und sie. Pascal fragte sie Dinge, nach denen außer Sarah noch nie jemand gefragt hatte.
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