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Nimue Alban 10 - Der Verrat

Nimue Alban 10 - Der Verrat

Titel: Nimue Alban 10 - Der Verrat
Autoren: David Weber
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wollte gern glauben, dies sei der wahre Grund für seine jahrzehntelange Untätigkeit. Er wollte so gern glauben dürfen, seine zahllosen Pflichten hätten ihn viel zu beschäftigt gehalten. Er wollte glauben dürfen, Pflichteifer habe ihn vergessen lassen, aus dem Fenster zu blicken und zu sehen, was in Wahrheit all jenen widerfuhr, die sich a u ßerhalb des Tempels aufhielten, außerhalb dieses Ortes mit seinen auf geheimnisvolle Weise wohl temperierten Räu m lichkeiten. Oh, wie sehr Duchairn sich wünschte, das gla u ben zu dürfen!
    Oh ja, beschäftigt warst du, Rhobair!, dachte er. Er sog die kühle Luft ein, genoss den Duft der Blüten unter Pater Zytans Fenster. Du warst beschäftigt mit gutem Wein, der Feinschmeckerküche des Tempels, bezaubernder weiblicher Gesellschaft und all der Mühe, die es macht, Münzen zu zä h len und deine Bündnisse innerhalb des Vikariats zu pflegen. Zu schade, dass du nicht über die wahren Lehren der Erze n gel nachgedacht hast, darüber, was die wahren Aufgaben und Pflichten eines jeden Priesters sind! Hättest du das g e tan, dann hätte Pater Zytan das notwendige Geld und die erforderliche Unterstützung erhalten, um genau diese Au f gaben und Pflichten auch zu erfüllen!
    »Ich bin überglücklich, dass wir nur so wenige verloren haben … in diesem Winter, Pater «, sagte Duchairn, ohne sich vom Fenster abzuwenden. »Ich bedauere nur zutiefst, dass wir im letzten Winter so viele Verluste zu beklagen ha t ten, und ebenso im Winter davor. «
    Kwill blickte auf den Rücken des Vikars. Der Pater fragte sich, ob Duchairn wusste, wie viel Schmerz in seiner Stimme mitschwang. Wie ein schwerer Anker schien dieser Schmerz jedes einzelne seiner Worte in die Tiefe zu ziehen. Wie die meisten Diener von Mutter Kirche, die Verwaltungsaufg a ben wahrnahmen, gehörte der Vikar dem Chihiro-Orden an. Somit fehlte ihm die Ausbildung, Gefühle und andere em o tionale Prozesse zu begreifen. Bei Kwill war das anders. Denn sein Orden lehrte genau diese Dinge. Es war durchaus möglich, dass der Vikar sich seiner eigenen Gefühle nicht bewusst war – und auch, dass sein Tonfall sie so deutlich verriet.
    Er schien nicht zu bemerken, wie gefährlich ihm diese Gefühle unter den gegebenen Umständen werden konnten.
    »Euer Exzellenz «, sagte der Oberpriester, »ich habe deutlich mehr als die Hälfte meines Lebens damit verbracht, jeden Frühling aufs Neue genau diese Dinge zu bedauern. « Duchairn wandte sich zu ihm um, und Kwill lächelte ihn traurig an. »Eigentlich müsste ich mich also an dieses Gefühl des Versagens gewöhnt haben. Aber jede Leiche, die wir im Schnee finden, jedes Kind, das zur Waise wird, jede einzelne Seele, die wir nicht irgendwo im Hospiz oder in einer der anderen Notunterkünfte unterbringen können, wenn die Temperatur fällt und der Wind über den See heult … jeder einzelne dieser Todesfälle reißt ein winziges Stück meiner Se e le mit sich. Ich habe nie gelernt, das einfach hinzunehmen. Aber ich habe lernen müssen, damit zurechtzukommen. Mir selbst zu sagen, dass ich wahrhaftig alles in meiner Macht Stehende getan habe, um die Anzahl von Todesfällen im Winter zu verringern. Mich selbst von der Schuld an eben diesen Todesfällen freizusprechen. Es ist nicht leicht, das zu tun. Wie viel ich auch getan haben mag, ich war und bin stets davon überzeugt, dass ich noch mehr hätte tun können – dass ich noch mehr hätte tun müssen . Hier …«, er tippte sich gegen die Schläfe, »weiß ich ganz genau, dass ich wir k lich alles getan habe, was ich konnte. Aber es fällt mir schwer, das auch hier zu akzeptieren. «
    Er legte eine Hand an die Brust, und sein trauriges L ä cheln verlor den bitteren Beigeschmack.
    »Ich habe darin deutlich mehr Übung als Ihr, Euer Exzellenz. Das liegt sicherlich daran, dass ich beinahe fünfun d dreißig Jahre älter bin als Ihr. Die meisten hier in Zion, sogar in meinem eigenen Orden, sind fest davon überzeugt, ich hätte diese Aufgabe schon seit dem Tag der Schöpfung e r füllt. Aber in Wirklichkeit war ich schon weit über vierzig, bevor mir überhaupt der Gedanke gekommen ist, genau das solle mein Lebenswerk sein. Gott habe das für mich vorg e sehen. « Kwill schüttelte den Kopf. »Bitte glaubt nicht, all die Jahre, die ich verschwendet habe, bevor ich Seine Sti m me hörte, würden mich nicht in jedem Winter aufs Neue heimsuchen und plagen! Immer und immer wieder werde ich daran erinnert, wie viele Winter ich untätig habe
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