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Nimmerklug im Knirpsenland

Nimmerklug im Knirpsenland

Titel: Nimmerklug im Knirpsenland
Autoren: Nikolai Nossow
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miserables Porträt. Das beste wäre, du nimmst es ab.“
    „Warum?“ widersprach Nimmerklug. „Laß es doch hängen.“
    „Du bist wohl krank, Nimmerklug“, gab Doktor Rizinus beleidigt zurück. „Deine Augen müssen nicht in Ordnung sein. Wann willst du gesehen haben, daß mir statt der Nase ein Fieberthermometer im Gesicht sitzt? Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als dir heute nacht Rizinus einzugeben.“
    Nimmerklug mochte durchaus kein Rizinus. Erschrocken sagte er: „Nein, nein! Jetzt sehe ich selbst, daß es ein schlechtes Porträt ist.“
    Er nahm das Bild von der Wand und zerriß es. Nach Doktor Rizinus erwachte der Jäger Bums. Auch ihm gefielen die Bilder. Er platzte bald vor Lachen. Sein eigenes Porträt allerdings verdarb ihm plötzlich die Laune.
    „Das ist ein schlechtes Bild“, erklärte er, „und mir überhaupt nicht ähnlich. Nimm es ab, sonst darfst du nicht mehr mit mir auf die Jagd gehen!“ Nimmerklug mußte auch den Jäger Bums von der Wand nehmen.
    Mit den übrigen Porträts erging es ihm genauso. Jeder fand nur die Bilder der anderen gut.
    Schließlich erwachte auch Farbenklecks, der gewöhnlich am längsten schlief. Als er sein Bild an der Wand hängen sah, wurde er schrecklich wütend und erklärte, das wäre kein Porträt, sondern ein talentloses, unkünstlerisches Geschmiere. Er riß es herunter und nahm Nimmerklug Pinsel und Farben weg. Nur Joppes Bild war an der Wand hängengeblieben. Nimmerklug brachte es seinem Freund Joppe.
    „Soll ich dir dein Porträt schenken, Joppe?“ schlug er vor. „Dafür mußt du dich aber mit mir versöhnen.“
    Joppe griff nach dem Porträt, riß es in kleine Stücke und sagte: „Einverstanden! Zeichnest du mich aber noch ein einziges Mal, dann sind wir geschiedene Leute.“
    „Ich zeichne nie wieder“, antwortete Nimmerklug. „Da malt man im Schweiße seines Angesichts. aber keiner denkt daran, auch nur danke zu sagen – alle schimpfen nur. Ich will kein Maler mehr sein.“

Wie Nimmerklug Dichter werden wollte
    Nachdem bei der Malerei nichts herausgekommen war, beschloß Nimmerklug, Verse zu schreiben. Er kannte einen Dichter, der in der Löwenzahnstraße wohnte. Er hieß eigentlich Blei, aber die Dichter lieben bekanntlich schöne Namen, und deshalb legte sich Blei, als er mit dem Verseschmieden begann, einen anderen Namen zu: er nannte sich Blüte. Nimmerklug ging also zu Blüte und sprach: Hör einmal, Blüte, lehre mich das Versemachen. Ich möchte auch ein Dichter sein.“
    „Hast du Talent?“ fragte Blüte.
    „Selbstverständlich. Ich bin sehr talentiert“, antwortete Nimmerklug.
    „Das muß man nachprüfen“, erklärte Blüte. „Weißt du, was ein Reim ist?“
    „Ein Reim? Nein, das weiß ich nicht.“
    „Ein Reim entsteht, wenn zwei Wörter die gleiche Endung haben“, setzte ihm Blüte auseinander. „Zum Beispiel: Henne – Tenne, Kuchen – suchen. Hast du das begriffen?“
    „Ja.“
    „Nun, dann sag mir einen Reim auf das Wort Rute.“
    „Laute“, antwortete Nimmerklug.
    „Rute und Laute reimen sich nicht.“
    „Warum nicht? Sie haben doch die gleiche Endung.“
    „Das genügt nicht“, sagte Blüte. „Die Worte müssen sich ähneln, damit es harmonisch klingt. Hör zu: Rute – Schnute, Kohle – Sohle, Bücher – Tücher.“ „Kapiert, kapiert!“ schrie Nimmerklug. „Rute – Schnute, Kohle – Sohle, Bücher – Tücher. Prima, ha-ha-ha!“
    „Gut, dann suche jetzt einen Reim auf das Wort Hornisse“, sagte Blüte.
    „Burisse!“ antwortete Nimmerklug.
    „Gibt es überhaupt so ein Wort?“ fragte Blüte erstaunt.
    „Etwa nicht?“
    „Nein, natürlich nicht.“
    „Na, dann Gerisse!“
    „Was bedeutet denn Gerisse?“ fragte Blüte genauso erstaunt.
    „Wenn etwas zerreißt, dann gibt es Gerisse“, erklärte Nimmerklug.
    „Das ist Unsinn“, rief Blüte. „So ein Wort existiert überhaupt nicht. Man muß Wörter auswählen, die es gibt, und keine erfinden.“
    „Aber wenn ich auf kein anderes Wort komme?“ „Dann besitzt du keine dichterische Begabung.“ „Denke dir.doch selbst einen Reim zu diesem Wort aus“, gab Nimmerklug zurück.
    „Gleich“, sagte Blüte zustimmend.
    Er stellte sich mitten ins Zimmer, die Arme über der Brust verschränkt, den Kopf zur Seite geneigt, und dachte nach. Dann legte er den Kopf in den Nacken, starrte zur Decke empor und dachte weiter. Darauf griff er sich grübelnd ans Kinn und schaute zu Boden. Schließlich ging er im Zimmer auf und ab und
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