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NIGHT WORLD - Engel der Verdammnis

NIGHT WORLD - Engel der Verdammnis

Titel: NIGHT WORLD - Engel der Verdammnis
Autoren: Lisa J. Smith
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sie durch die Dunkelheit zurücksauste, vergaß sie es.
    Später sollte ihr klar werden, was für ein Fehler das gewesen war.
    Für den Augenblick schien die Zeit still zu stehen. Sie war allein in dem Tunnel und wurde wie Wasser in einen Abfluss hinabgezogen. Sie versuchte, zwischen ihre Füße zu schauen, um zu sehen, wohin sie fiel, und sah etwas wie einen tiefen Brunnen unter sich.
    Auf dem Grund des Brunnens befand sich ein Kreis aus Licht, wie der, den man durch ein Fernrohr sieht, wenn man am verkehrten Ende hineinblickt. Und in dem Kreis lag, ganz winzig, der Körper eines Mädchens im Schnee.
    Mein Körper, dachte Gillian - und dann, bevor sie Zeit hatte, irgendetwas zu fühlen, raste der Boden des Brunnens auf sie zu. Der winzige Körper wurde größer und größer. Sie spürte einen reißenden Druck. Sie wurde in den Körper hineingesaugt - zu schnell.
    Viel zu schnell. Sie hatte keine Kontrolle. Sie passte perfekt in den Körper hinein, wie eine Hand, die in einen Fäustling schlüpfte, aber der Sog raubte ihr die Besinnung.
    Aaah... etwas tat weh.
    Gillian öffnete die Augen - oder versuchte es zumindest. Es war so schwer. Beim zweiten oder dritten Versuch gelang es ihr, sie einen Spaltbreit aufzubekommen.
    Alles war weiß. Grell. Blendend.
    Wo...? Ist das Schnee?
    Was tue ich hier, wieso liege ich im Schnee?
    Bilder stiegen in ihr auf. Der Fluss. Eisiges Wasser. Hinausklettern. Fallen. So schrecklich frieren...
    Und danach... sie konnte sich nicht erinnern. Aber jetzt wusste sie, was wehtat. Alles.
    Ich kann mich nicht bezvegen.
    Ihre Muskeln waren so starr wie Stahl. Aber sie wusste, dass sie nicht hierbleiben konnte. Wenn sie es tat, würde sie...
    Explosionsartig kehrte ihre Erinnerung zurück.
    Ich war bereits gestorben.
    Seltsamerweise gab ihr diese Erkenntnis Kraft. Es gelang ihr tatsächlich, sich aufzurichten. Während sie das tat, hörte sie ein Knacken. Ihre Kleider waren von einer festen Eisschicht bedeckt.
    Irgendwie rappelte sie sich hoch.
    Es hätte eigentlich nicht möglich sein sollen. Ihr Körper war vor einer Weile kalt genug gewesen, um alle Lebensvorgänge zum Erliegen zu bringen, und seither hatte sie im Schnee gelegen. Allen Naturgesetzen zufolge sollte sie inzwischen erfroren sein.
    Aber sie stand. Sie konnte sogar einen Schritt vorwärts schlurfen.
    Nur um zu begreifen, dass sie keine Ahnung hatte, in welche Richtung sie sich wenden musste.
    Sie wusste noch immer nicht, wo die Straße war. Schlimmer noch, es würde bald dunkel werden. Wenn das geschah, würde sie nicht einmal mehr ihre eigenen Spuren erkennen können. Sie konnte im Wald im Kreis gehen, bis ihr Körper wieder aufgab.
    »Siehst du diese Weißeiche? Dort musst du nach rechts gehen.«
    Die Stimme war hinter ihrem linken Ohr. Gillian drehte sich so weit in diese Richtung, wie ihre steifen Muskeln es gestatteten, obwohl sie wusste, dass sie nichts sehen würde.
    Sie erkannte die Stimme. Aber sie war jetzt so viel wärmer und sanfter.
    »Du bist mit mir zurückgekommen?«
    »Klar.« Wieder war die Stimme erfüllt von dieser unglaublichen Wärme, dieser vollkommenen Liebe. »Du hast doch nicht gedacht, ich würde dich einfach umherirren lassen, bis du wieder erfrierst, oder? Jetzt geh auf diesen Baum zu, Kleines.«
    Danach kam eine lange Zeit des Stolperns und Taumeins, über Äste, um Bäume herum, immer weiter und weiter. Der Weg schien sich bis in alle Ewigkeit zu erstrecken, aber da war stets die Stimme in Gillians Ohr, die sie leitete, die ihr Mut machte. Sie ließ sie weitergehen, wenn sie dachte, sie könne unmöglich noch einen einzigen Schritt tun.
    Und dann, endlich, sagte die Stimme: »Nur noch diesen Hang hinauf, und du wirst die Straße finden.«
    In einem traumähnlichen Zustand tieg Gillian den Hang hinauf.
    Und da war sie. Die Straße. Im letzten Licht vor Einbruch der Dunkelheit konnte Gillian sie sich einen Hügel hinunterschlängeln sehen.
    Aber es war immer noch fast eine Meile bis zu ihrem Haus, und sie konnte einfach nicht mehr weiter.
    «Das brauchst du auch nicht«, sagte die Stimme sanft. »Schau die Straße hinauf.«
    Gillian sah Scheinwerfer.
    »Jetzt stell dich einfach mitten auf die Straße und winke.«
    Gillian stolperte über den Asphalt und winkte mechanisch wie eine Puppe. Die Scheinwerfer kamen näher, blendeten sie. Dann begriff sie, dass sie langsamer wurden.
    »Wir haben es geschafft«, stieß sie hervor, wobei ihr verschwommen bewusst wurde, dass sie laut sprach. »Der Wagen hält
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