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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition)
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Babs?«
    »Ich bin da.«
    »Und wenn dir etwas zustößt?«
    »Es wird von nun an immer jemand dasein für Babs«, sagte Ruth. »Aber laß das! Sind wir alte Leute? Was ist los mit dir?«
    »Man kann jeden Tag tot umfallen.«
    »Und man kann auch noch sehr, sehr viele Jahre leben!«
    »Nun ist Babs um ihre Geburtstagsfeier gekommen«, sagte ich traurig. »Sie war doch so stolz auf ihre zwei Geburtstage, während die meisten Kinder nur einen haben.«
    »Sie hat ihren zweiten Geburtstag gefeiert, sei ganz unbesorgt.«
    »Wo?«
    »Bei mir. Im Krankenhaus. Mit Torte und Lichtern und Geschenken und allem. Mit ihren Freunden von einst gab es am Nachmittag Kakao und Kuchen.«
    »Was für Freunde von einst?«
    »Na, da sind noch eine Menge da! Kannst du dich zum Beispiel an den kleinen Sammy erinnern, der sich ›Engel des Todes‹ nennt?«
    »Der ist noch immer da?«
    »Und er wird noch lange bleiben.« Sie nickte.
    »Keine Besserung?«
    »Eine große, Liebster! Aber noch nicht groß genug. Brezel – erinnerst du dich an die Psychologin? – feierte mit, und, der Rektor ist gekommen mit dem gelähmten Alois und mit Frau Bernstein. Es waren acht Kinder, als ich wegfuhr.«
    »Du bist gut«, sagte ich.
    »Unsinn«, sagte sie. »Rede doch nicht so!«
    Wir gingen immer weiter, sehr langsam. Ruth fuhr fort: »Natürlich wissen die Erwachsenen in Heroldsheid nun alle, wer du in Wahrheit bist. Keiner fühlt sich betrogen oder ist böse. Alle fühlen mit dir. Ich soll dich von allen besonders herzlich grüßen. Ich rief draußen an, als ich die Besuchserlaubnis bekam. Sie sind sehr glücklich gewesen darüber, daß wir uns nun endlich sehen würden. Auch der Rektor und Frau Bernstein! Die alte Frau Grosser hat geweint. Sie bäckt einen Kuchen, du wirst ihn übermorgen bekommen, soll ich dir sagen. Sie hat auch die Geburtstagstorte für Babs gemacht.«
    »Aber sonst …«, begann ich, und sie unterbrach mich: »Sonst weiß natürlich auch in Heroldsheid niemand, was nun geschehen wird. Ob Reporter kommen. Einer. Viele. Ob sie Rücksicht nehmen werden auf die Bitten des Rektors, Babs nicht nachzustellen, über die Schule nicht herzufallen. Bisher war keiner draußen. Vielleicht sind die Reporter diesmal barmherzig.«
    »Warum sollten sie es diesmal sein?« fragte ich.
    »Vielleicht finden sie die richtige Schule nicht. Vielleicht haben wir Glück, Liebster.«
    »Glück?«
    »Babs wurde sofort nach Bekanntwerden von Sylvias Tod vorsorglich zu mir ins Krankenhaus gebracht. Wenn in der nächsten Zeit Reporter kommen, ist sie nicht in Heroldsheid. Vielleicht haben wir Glück.«
    »Ja«, sagte ich, »vielleicht. Vielleicht nicht. Alles ist offen.«
    »Nicht nur hier«, sagte Ruth. »Überall. Was wird mit Bracken werden?«
    »Ist er noch hier?«
    »Er sitzt in demselben Gefängnis wie du – seit Wochen. Man weiß noch nicht, ob ihm hier der Prozeß gemacht wird oder ob er ausgeliefert wird – er ist Amerikaner, und er hat Sylvia in Amerika erpreßt, so viele Jahre.«
    »Das Schwein«, sagte ich.
    »Das arme Schwein«, sagte Ruth.
    Ein paar Vögel pickten im Gras Krümel auf, die ein Mann, von dem ich nur eine Hand sehen konnte, aus einem vergitterten Fenster im dritten Stock warf. Ob er die Vögel sehen kann? überlegte ich.
    »Und Sylvia … Wo … wo wird sie begraben werden?«
    »In Hollywood. Das wird ein ungeheuerliches Begräbnis werden, eines, wie es Hollywood noch nie gesehen hat, sei ganz sicher. Noch mehr Reklame für den Film! Es gibt keinen Film auf der Welt, der soviel Reklame hatte wie dieser KREIDEKREIS. Du wirst ja jetzt auch wieder Zeitungen und Zeitschriften bekommen, Liebster. Du hast keine Vorstellung, wie dieser Prozeß ausgeschlachtet worden ist. Woche um Woche waren Sylvia und du und Babs oder wenigstens zwei von euch auf den Titelblättern aller Illustrierten. Die Regenbogenpresse lebte und lebt noch immer von euch. Was du damals in meiner Wohnung gesagt hast – über die Steigerung der Auflagen bei den Zeitungen und Magazinen in aller Welt …«
    »Ich erinnere mich.«
    »… das stimmt. Noch viel mehr, als du angenommen hast. Die Auflagen sind in unvorstellbarer Weise hochgeschnellt, habe ich im Fernsehen gehört – das übrigens auch von dem Fall Moran lebt, immer noch! Und nun geht noch einmal alles los, nun, da Sylvia tot ist. Du kannst dir nicht vorstellen, niemand, der es nicht gesehen hat, kann es sich vorstellen, welche Reklame für den Film mit dem Fall Sylvia Moran gemacht wurde in den
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