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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil
Autoren: Selma Lagerloef
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nicht, zog aber schnell den Rock über; zündete eine Laterne an und ging hinaus. Draußen herrschte noch derselbe
     Sturm und dieselbe Kälte, aber als er auf die Treppe hinauskam, summte er eine Melodie vor sich hin. Er dachte daran, ob das
     Pferd ihn wohl wieder erkennen würde, ob es sich wohl freuen würde, wieder in den alten Stall zu kommen.
    Als er über den Hofplatz ging, hörte er, daß eine Tür offen stand und im Winde klapperte. »Das ist die Scheunentür, die wieder
     aufgeweht ist,« dachte er und ging hin, um sie zu schließen.
    Einen Augenblick später stand er vor der Scheune und wollte gerade die Tür verschließen, als er meinte, etwas da drinnen Putzeln
     zu hören.
    Der Junge hatte nämlich die Gelegenheit benutzt und war mit ihm zusammen hinausgegangen und gleich nach der Scheune gelaufen,
     wo die Tiere gestanden hatten. Aber sie standen nicht mehr draußen im Regen. Einstarker Windstoß hatte längst die Scheunentür wieder aufgerissen und ihnen ein Dach über dem Kopf verschafft. Das, was der
     Bauer pußeln hörte, war der Junge, der in der Scheune herumlief.
    Nun leuchtete er mit der Laterne in die Scheune hinein und sah, daß da überall auf dem Boden schlafendes Vieh lag. Ein Mensch
     war nicht zu sehen. Die Tiere waren nicht angebunden, sondern hatten sich in das Stroh gelegt, wo sie dazu kommen konnten.
    Er wurde zornig, als er alle diese ungebetenen Gaste sah, und fing an zu rufen und zu schalten, um die Schlafenden zu wecken
     und sie hinauszujagen. Aber die Tiere blieben liegen, ohne sich zu rühren, als wollten sie sich nicht stören lassen. Nur ein
     altes Pferd erhob sich und kam ganz still auf ihn zu.
    Der Bauer verstummte plötzlich. Er erkannte das Pferd schon am Gange. Er ließ den Schein der Laterne auf das Pferd fallen,
     und er kam zu ihm heran und legte ihm den Kopf auf die Schulter.
    Da streichelte der Bauer es zärtlich. »Mein altes Pferd! Mein altes Pferd!« sagte er. »Was haben sie dir getan? Ja, alter
     Junge, ich will dich zurückkaufen. Du sollst nie wieder fort von diesem Hof. Du sollst es so haben, wie du willst, alter Junge.
     Die andern, die du mitgenommen hast, können hier bleiben, aber du sollst mit mir in den Stall kommen. Nun kann ich dir so
     viel Hafer geben, wie du fressen kannst, ohne daß ich ihn mir heimlich zu nehmen brauche. Ganz zuschanden bist du am Ende
     noch nicht. Das schönste Pferd auf dem Kirchhügel, das sollst du noch einmal werden. So, so! So, so!«

XXIV. Der Eisbruch
    Donnerstag, 28. April.
    Am nächsten Tag war schönes Wetter und heller Sonnenschein. Es wehte freilich ein starker Westwind, aber darüber konnte man
     sich nur freuen, denn er trocknete die Wege, die von dem heftigen Regen des vorhergehenden Tages ganz aufgeweicht waren.
    Früh am Morgen kamen die beiden Kinder aus Smaaland, das Gänsemädchen Aase und der kleine Mads die Landstraße gegangen, die
     von Sörmland nach Närke hineinführt. Der Weg ging an dem südlichen User des Hjelmar entlang, und die Kinder betrachteten das
     Eis, das noch den größten Teil des Sees bedeckte. Die Morgensonne warf ihren hellen Schein auf das Eis, und es sah gar nicht
     so dunkel und unheimlich aus, wie sonst das Frühlingseis, sondern es schien weiß und verlockend. So weit sie darüber hin sehen
     konnten, lag es fest und trocken da. Das Regenwasser war schon in die Löcher und Spalte hineingelaufen oder auch von dem Eis
     selbst aufgesogen. Sie sahen nichts als die herrliche Eisfläche.
    Das Gänsemädchen Aase und der kleine Mads waren auf der Wanderung gen Norden begriffen, und sie mußten unwillkürlich denken,
     wie viele Schritte ihnen erspart werden würden, wenn sie quer über den großen See gehen könnten, statt rund um ihn herumzuwandern.
     Sie wußten wohl, daß Frühlingseis heimtückisch ist, aber dies sah ja so vollkommen sicher aus. Sie konnten sehen, daß es drinnen
     am Lande mehrere Zoll dick war. Und sie sahenauch einen Weg, den sie verfolgen konnten, und das gegenüberliegende Ufer erschien so nah, daß sie in einer Stunde hinüber
     gelangen mußten.
    »Komm, laß es uns versuchen!« sagte der kleine Mads. »Wenn wir nur achtgeben, daß wir nicht in eine Wake hineinplumpsen, so
     wird es schon gehen.«
    Und damit begaben sie sich auf den See hinaus. Das Eis war nicht allzu glatt, es ging sich sehr angenehm darauf. Es stand
     freilich mehr Wasser darauf, als sie vom Wege aus hatten sehen können, und hier und da waren Blasen im Eis, wo das Wasser
     auf und
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