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Styling deluxe / Roman

Styling deluxe / Roman

Titel: Styling deluxe / Roman
Autoren: Carmen Reid
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    1.
    Dr. Yasmin, »Kosmetikerin«, bei der Arbeit:
    Weißer Arztkittel (Sanitätshaus)
    Weiße Gazemaske (dito)
    Hochgeschlossenes Kleid in Schwarz und Pink (Alexander McQueen)
    Hochhackige pinkfarbene Slingback-Peep-Toes (Christian Louboutin)
     
    Geschätzte Gesamtkosten: 960 £
    »Und wie fühlt sich das jetzt an?«
    H alten Sie hübsch still, das wird jetzt ein bisschen unangenehm.«
    Annies Herz begann zu hämmern. Wenn eine Expertin in makellos weißem Kittel, mit Mundschutz und Latexhandschuhen, eine Spritze in der Hand, einen warnt, dass es »ein bisschen unangenehm« wird, dann weiß man, dass es gemein weh tun wird …
    »Hübsch stillhalten!«, wiederholte die unverschämt teure »Kosmetikerin« von der Harley Street, als Annies Gesicht instinktiv der Nadelspitze ausweichen wollte.
    Und dann –
autsch!
 – drang die Spitze ein, und sie fühlte ihren allerersten Schuss Botox kühl in die störenden Zornesfalten zwischen ihren Augenbrauen strömen.
    Autsch! Autsch! Autsch!
Es tat weh. Warum hatte ihr niemand gesagt, wie weh es tat? Und die »Frau Doktor«, die wahrscheinlich nichts weiter als eine aufgemotzte Zahnarzthelferin mit ausgesprochen schicker Klientel war, nahm sich als Nächstes ihre Stirnfalten vor. Da oben war die Haut sogar noch dünner. Das würde richtig piksen.
    Dr. Yasmins Assistentin drückte Annie ein Papiertüchlein seitlich ans Gesicht, um die Schmerzenstränen aufzufangen, die still aus ihren Augen quollen.
    Um sich von diesem Horror abzulenken, verdrehte Annie die Augen zur Zimmerecke hin, in der dick und fett vier große Einkaufstüten an einem Stuhl lehnten.
    Diese Tüten hatte sie nicht aus ihrem Sichtfeld lassen wollen, und es wirkte beschwichtigend, jetzt rasch einen verstohlenen Blick auf sie zu werfen. Diese vier prallen Tüten repräsentierten etwas sehr Wichtiges. Entscheidendes. Grundsätzliches. Diese vier Hochglanztüten symbolisierten das Ende ihrer alten Karriere und den Beginn einer komplett brandneuen, glanzvollen Phase.
    Als alte Häsin in der Weiterbildung war Annie Valentine im Begriff, auf die tollste vorstellbare Weise die Karriereleiter hinaufzuklettern. Sie hatte neun ganze Jahre lang in Londons glamourösestem, teuerstem Modezentrum,
The Store,
gearbeitet und nahm jetzt ihren Abschied.
    In
The Store
war sie die Spitzenkraft gewesen, die bekannteste persönliche Einkaufsberaterin, der man das größte Vertrauen entgegengebracht hatte. Sie hatte Frauen aus allen erdenklichen Schichten eingekleidet, gestylt und neu erfunden. Kurzum, es gab nichts in Sachen Mode und Kleiderkauf, was Annie nicht wusste. In wenigen rasanten Minuten konnte sie eine Person von Kopf bis Fuß abchecken und ihr mehr über für sie tragbare Formen, Größen, Farben und Schnitte beibringen, als die zeitaufwendige und mühselige Schlepperei durch die Umkleidekabinen je hätte leisten können.
    Die Arbeit in
The Store
hatte auch sie selbst im Lauf der Jahre verändert. Ihr straffer hoher Pferdeschwanz war immer blonder geworden. Die etwas zu gedrungene und zu kurvenreiche Figur war durch teure High Heels, eine kerzengerade Haltung und eine gute Portion Lycra an den richtigen Stellen geliftet und gestreckt worden. Jetzt, in den … hm … späten Dreißigern suchte sie Dr. Yasmin auf, weil ein paar ärgerliche kleine Runzeln sie nicht verraten sollten.
    Annie war bewusst, dass sie mehr als nur einen Job hinter sich ließ. Im Verlauf dieser neun Jahre war
The Store
ihr ein zweites Zuhause geworden. Als sie ihren Mann verloren hatte, konnte sie sich im
The Store
verlieren; als sie darum kämpfte, das Schulgeld für ihre zwei Kinder aufzubringen, hatten ihre Kundinnen aus dem
Store
sich zusammengetan und ihr Nebenjobs geboten. Selbst der neue Mann in ihrem Leben, Ed, verstand, obwohl er keinen Schimmer von Mode hatte, voll und ganz, wie wichtig
The Store
in Annies Leben war.
    Aber sie würde gehen! Würde alles aufgeben, ihren Job, ihre monatliche Provision (ganz zu schweigen von den regelmäßigen Bonuszahlungen an sie als beste Verkäuferin), ihren überaus verlockenden Mitarbeiterrabatt (die Art von Rabatt, die es möglich machte, dass Marken, von denen sie zuvor nur hatte träumen können, jetzt in ihrem Kleiderschrank hingen) und die Mitarbeiterinnen, die zu ihren besten Freundinnen geworden waren.
    Annie war im Begriff, das alles hinter sich zu lassen, weil ihr die vielleicht einmalige Chance im Leben geboten worden war, ein echter Fernsehstar zu werden. Oh ja! Sie musste
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