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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil
Autoren: Selma Lagerloef
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der größten und reichsten Kirchspiele in der Gegend ist.
    »Wie könnte ich es wohl ertragen, in so einer Ebene zu wohnen,« sagte der Alte und machte eine abwehrende Handbewegung, als
     sei das etwas ganz Undenkbares. Und dann fingen sie in aller Freundschaft an, sich darüber zu streiten, wo in Vestmanland
     es am schönsten zu wohnen sei. Der eine von den Landleuten war in Fellingsbro geboren und er redete der Ebene das Wort, der
     andere aber war aus der Vesteraaser Gegend, und er fand, daß die Ufer des Mälars mit ihren bewaldeten Inseln und schönen Landzungen
     der beste Teil der Gegend sei. Der Alte wollte sich aber nicht überzeugen lassen, und um es ihnen einleuchtend zu machen,
     daß er recht habe, bat er, ob er ihnen nicht eine Geschichte erzählen dürfe, die er in seiner Jugend von alten Leuten gehört
     hatte: »Hier in Vestmanland wohnte vor langen Jahren eine alte Frau aus dem Riesengeschlecht; sie war so reich, daß die ganze
     Gegend ihr gehörte. Sie hatte alles, war ihr Herz nur begehren konnte, und doch lebte sie in großer Sorge, denn sie wußte
     nicht, wie sie ihren Besitz unter ihre drei Söhne teilen sollte.
    Die Sache war die, daß sie sich nicht soviel aus den beiden ältesten Söhnen machte, der jüngste aber war ihr Augapfel. Sie
     gönnte ihm das beste Erbteil, aber gleichzeitigfürchtete sie, daß Unfriede zwischen ihm und seinen Brüdern entstehen könne, wenn sie entdeckten, daß sie nicht gleichmäßig
     zwischen ihnen geteilt hatte.
    Und dann eines Tages fühlte sie, daß sie dem Tode so nahe war, daß sie keine Zeit mehr hatte, sich länger zu bedenken. Da
     rief sie alle ihre drei Söhne zu sich und sprach mit ihnen über die Erbschaft.
    »Nun habe ich meinen ganzen Besitz in drei Teile geteilt, zwischen denen ihr wählen könnt,« sagte sie. »Zu dem einen Teil
     habe ich alle meine Eichenhügel und bewaldeten Inseln und blühenden Wiesen gelegt, und das alles habe ich um den Mälar herum
     vereint. Wer das Teil wählt, bekommt gute Weide für Schafe und Kühe auf den Strandwiesen und auf den Inseln kann er sich Laub
     zu Winterfutter holen, wenn er dort nicht Gärtnerei betreiben will. Eine Menge Buchten schneiden dort in das Land ein, so
     daß da gute Gelegenheit zu Frachtfahrt und allerlei Verkehr ist. Wo die Bäche in den See münden, bekommt er gute Hafenplätze,
     so daß ich glaube, es werden sich dort auf seinem Gebiet Städte und Dörfer erheben. Und auch an Ackerland wird es ihm nicht
     fehlen, obwohl das Land so zerstreut liegt. Es ist nur gut, daß seine Söhne sich von Anfang daran gewöhnen, von einer Insel
     zur anderen zu ziehen, denn das wird sie zu guten Seeleuten machen, die nach fremden Ländern fahren und Reichtümer heimbringen
     werden. Ja, das war das erste Teil. Was sagt ihr dazu?«
    Alle Söhne waren sich einig darin, daß dies Teil ausgezeichnet sei und daß, wer es erhielte, sich glücklich preisen könne.
    »Ja, an dem Teil ist nichts auszusetzen,« sagte die alte Riesenfrau, »und auch das zweite ist nicht übel. Darin habe ich
     alles das vereint; was ich an ebenem Erdboden und freiem Felde besitze und habe es von der Mälargend bis nach Dalarna hinaufgelegt.
     Wer das Teil wählt, wird es, glaube ich, nicht bereuen. Er kann so viel Korn bauen, wie er will und sich große Häuser bauen,
     und weder er noch seine Nachkommen brauchen sich auch nur eine Stunde Sorge um ihr Auskommen zu machen. Damit die Ebene sumpfig
     wird, habe ich große Gräben quer durch sie hindurchgezogen, und darin ist hier und da ein Wasserfall, an dem Mühlen und Hammerwerke
     gebaut werden können. Und an den Gräben entlang habe ich Kieshügel aufgetragen, auf denen Wald zu Brennholz wachsen kann.
     Ja, das ist das zweite Teil, und ich meine, wer das bekommt, hat allen Grund, zufrieden zu sein.«
    Darin stimmten alle drei Söhne mit ihr überein, und sie dankten ihr, daß sie es so gut für sie geordnet hatte.
    »Ich habe es gern so gut wie möglich machen wollen,« sagte die Alte, »aber nun komme ich zu dem, was mir am meisten Sorge
     bereitet hat. Denn, seht ihr, als ich alle meine Haine und Weiden für das eine Teil genommen hatte und die frisch bestellten
     Gegenden für das andere, entdeckte ich, daß ich in meinem Besitz nur noch Fichtenhügel und Tannenwälder und Bergrücken und
     Felsenufer und Granitklippen und magere Wacholdergestrüppe und elende Birkengehölze und kleine Seen hatte. Und daß sich dazu
     niemand von euch freuen würde, konnte ich ja
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