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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil
Autoren: Selma Lagerloef
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davon zu machen, wie es in Westmanland aussah, aber er konnte nichts recht unterscheiden. Er sah wohl, daß es
     hier in dem östlichen Teil der Landschaft flach und niedrig war, aber er konnte nichtbegreifen, was für Furchen und Striche es waren, die von Norden nach Süden quer über die Ebene liefen. Es sah höchst sonderbar
     aus, denn alle Streifen liefen fast ganz gerade und mit gleich großem Zwischenraum.
    »Dies Land ist ganz so gestreift wie die Schürze meiner Mutter,« sagte der Junge. »Ich möchte wohl wissen, was für Streifen
     das sind, die quer über das Ganze hinlaufen.«
    »Bäche und Bergrücken, Wege und Eisenbahnen,« antworteten die Wildgänse. »Bäche und Bergrücken, Wege und Eisenbahnen.«
    Und es verhielt sich wirklich so, denn als die Gänse gen Osten getrieben wurden, flogen sie zuerst über den Hedeström, der
     zwischen zwei Bergrücken dahinläuft und eine Eisenbahn an der Seite hat. Und dann kamen sie an den Kolbäckaa, der eine Eisenbahn
     an der einen Seite hat und an der anderen einen Bergrücken mit einer Landstraße. Darauf stießen sie auf den Svartaa; an dem
     laufen auch Bergrücken und Landwege entlang, dann auf den Lilleaa mit dem Badelundaas und schließlich auf den Sagaa, der an
     seinem rechten Ufer sowohl Landstraße als auch Eisenbahn hat.
    »Nie habe ich so viele Wege gesehen, die alle von der einen Seite kommen,« dachte der Junge. »Da müssen viele Waren sein,
     die von Norden her hier durch das Land geführt werden sollen.«
    Doch fand er, daß das sonderbar war, denn er glaubte, daß es nördlich von Westmanland gleichsam mit Schweden aus sei. Was
     noch vom Lande übrig war, könne wohl kaum etwas anderes sein als Wald und Wildnis, dachte er.
    Als der Wind die Wildgänse ganz bis an den Sagaa hinübergetrieben hatte, wurde es Akka offenbar klar, daß sie ganz anders
     wohin gekommen waren, als sie beabsichtigt hatte, denn hier machte sie mit ihrer Schar kehrt und begann, sich in starkem,
     widrigem Wind nach Westen zurückzukämpfen, Sie flogen also noch einmal über die gestreifte Ebene und setzten dann den Weg
     nach dem westlichen Teil der Landschaft fort, der aus waldreichem Hügelland bestand.
    Solange der Junge über der Ebene flog, saß er über den Hals der Gans gebeugt da und sah hinab, als aber die Ebene aufhörte
     und er sah, daß große Waldgegenden vor ihm lagen, richtete er sich auf und dachte, jetzt wolle er seine Augen ausruhen, denn
     dort, wo die Erde von Wald bedeckt war, lohnte es sich selten, Ausguck zu halten.
    Als sie eine Weile über waldbedeckte Bergrücken und kleine Seen dahingeflogen waren, hörte der Junge unten auf der Erde etwas,
     das gleichsam winselte und klagte.
    Da war er ja gezwungen, sich vornüber zu beugen und hinabzusehen. Die Wildgänse flogen jetzt nicht gerade schnell, da sie
     gegen den Wind ankämpften, so konnte er denn das Land unter sich ganz deutlich sehen. Das erste, was er entdeckte, war ein
     großes Loch, das gerade in die Erde hineinging. Über dem Loch war ein Hebewerk aus dicken Balken errichtet, und das Hebewerk
     holte gerade in diesem Augenblick unter Kreischen und Winseln eine Tonne herauf, die mit Steinen angefüllt war. Ringsumher
     lagen große Steinhaufen, eine Dampfmaschine stand in einem Schuppen und schnob, Frauen und Kinder saßen in einem Rundkreis
     an der Erde und suchtenSteine aus, auf einer schmalen Pferdebahn rollten einige mit grauen Steinblöcken beladene Wagen dahin, und am Waldessaum
     lagen kleine Arbeiterwohnungen.
    Der Junge konnte nicht begreifen, was das alles war, und er rief aus vollem Halse hinab: »Was für ein Ort ist das, wo sie
     so viele Feldsteine aus der Erde herausholen?«
    »Hör' doch nur einer den Dummkopf! Hör' doch nur einer den Dummkopf!« zwitscherten die Spatzen, die an dem Ort beheimatet
     waren und gut Bescheid wußten. »Er kennt keinen Unterschied zwischen Feldsteinen und Eisenerz!«
    Da begriff der Junge, daß das, was er sah, eine Grube war. Er war ein wenig enttäuscht, denn er hatte gedacht, eine Grube
     müsse auf einem hohen Berg liegen, diese aber lag auf der flachen Erde zwischen zwei Bergrücken.
    Bald ließen sie sie hinter sich, und der Junge saß wieder da und starrte geradeaus, denn die tannenbewaldeten Bergrücken und
     die Birkenhaine, die unter ihm lagen, meinte er schon so häufig gesehen zu haben. Da merkte er, daß eine starke Wärme von
     der Erde zu ihm hinaufschlug, und sogleich mußte er hinabgucken, um zu sehen, woher sie
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