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Nichts bleibt verborgen

Nichts bleibt verborgen

Titel: Nichts bleibt verborgen
Autoren: Knut Krueger
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einem großen gefräßigen Feuer zu vereinen. Hätte am liebsten so lange gewartet, bis der alte Schuppen lichterloh in Flammen stand und einer riesigen Fackel glich, deren Funken in den nächtlichen Himmel stoben. Aber das durfte er nicht riskieren. Jetzt gab es nur noch eines zu tun.
    Er raffte die Tüte an sich, machte auf dem Absatz kehrt und rannte, ohne sich noch einmal umzudrehen, dem Ausgang entgegen. Als er das Tor erreichte, fuhr er herum und starrte für ein paar Sekunden auf den lodernden gelben Fleck am anderen Ende des Sportplatzes. Dann drückte er sich durch den Spalt und verschmolz mit dem Dunkel der Nacht.

Kapitel 1
    Drei Monate zuvor
    Was für ein romantisches Fleckchen, dachte Franziska verträumt, als sie ihre Zehen in den warmen Sand bohrte und wie zufällig Alexanders Schulter berührte. Zumindest hätte es ein romantisches Fleckchen sein können, wären da nicht die zehntausend anderen gewesen, die schon am Vormittag die Paradiesbucht gestürmt und sie in einen bunten Flickenteppich aus Badehandtüchern verwandelt hatten. Eine überdrehte Ausgelassenheit lag in der Luft, als hätten sich all diese Menschen hier verabredet, um am letzten Samstag der großen Ferien eine gigantische Strandparty zu feiern.
    Denn eines hatte Franziska längst begriffen: So kurz der Sommer in Oslo auch war, so intensiv wurde er hier genossen und ausgekostet. Es war, als ginge es darum, sich so schnell wie möglich einen Vorrat an Sonne, Licht und guter Laune anzulegen, um im Winter – der »dunklen Zeit«, wie er hier meist genannt wurde – davon zu zehren.
    Sie ließ ihren Blick über das Halbrund der Bucht wandern. Sonnenanbeter brutzelten mit Kopfhörern im Ohr, während andere ganz in der Welt des Buches versunken waren, das sie in der Hand hielten. An der Wasserlinie flogen Bälle und Frisbees hin und her. Zwei pick lige Mädchen mit blitzenden Zahnspangen jagten im Zickzack um die Handtücher herum und quietsch ten um die Wette. Jungs mit gebräunten Oberkör pern spurteten durch die seichten Wellen, zogen ihre Kumpel auf Skimboards hinter sich her und brachen jedes Mal in schallendes Gelächter aus, wenn einer von ihnen kopfüber ins Wasser stürzte. Norwegisches Strandrodeo.
    Rechts von Franziska und Alexander schnarchte ein Rentner mit offenem Mund, während zur Linken ein Baby plärrte. Drei Handtücher weiter stritten sich zwei muskelbepackte Kerle über die perfekte Art, ein Steak zu braten. Direkt am Wasser hatte eine Gruppe von Jugendlichen ihren Gettoblaster aufgedreht, der wummernde Rhythmen über den Fjord schickte. Für einen Augenblick kam es Franziska so vor, als schwappten die Wellen im Takt dazu. I Follow Rivers von Lykke Li, die Hymne dieses Sommers.
    Plötzlich klopfte ihr jemand von hinten auf die Schulter.
    »Bist du nicht diese …?«, fragte ein sommersprossiger Junge mit Zahnlücke.
    »Doch, bin ich«, antwortete Franziska seufzend. »Autogramm?«
    Der Junge streckte ihr strahlend einen Stift sowie ein kleines Album entgegen, in dem sich Aufkleber berühmter Fußballer befanden.
    »Kannst ganz hinten unterschreiben, neben Ibrahimovic«, lispelte er.
    Franziska nickte, blätterte und kritzelte ihren Namen neben das Foto eines grimmig dreinblickenden Kickers.
    Ohne ein weiteres Wort flitzte der Junge davon.
    »Deine Fans werden immer jünger«, bemerkte Alexander. »Vielleicht solltest du mal ’ne Signierstunde im Kindergarten geben.«
    Sie rollte die Augen. Seit ein Osloer Fernsehsender über ihre spektakuläre Rettung berichtet hatte, die gut vier Monate zurücklag, war Franziska eine lokale Berühmtheit geworden. Dass ausgerechnet ein deutsches Mädchen von einem norwegischen Ganoven verfolgt und in eine Hütte gesperrt worden war, hatte bei vielen Einheimischen für Scham und Empörung gesorgt. Einem Kamerateam hatte sie vor Ort de monstriert, wie sie die Scheibe des Schuppens eingeschlagen hatte und durch das Fenster geflüchtet war. Auf Bitten des Reporters hatte sie sogar den gesamten Fluchtweg rekonstruiert, inklusive ihrer Begegnung mit dem Elch, ehe sie schließlich Hauptkommissar Ohlsen in die Arme gelaufen war.
    Wenn sie in der Öffentlichkeit angesprochen wurde, was hin und wieder geschah, dann variierte sie die Geschichte ein wenig, damit es ihr selbst nicht langweilig wurde, davon zu erzählen. Und obwohl Alexander ihr geraten hatte, nicht zu dick aufzutragen, hatte sie erst letzte Woche drei neugierigen Teenagern in der U-Bahn weisgemacht, sie sei dem Elch auf den
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