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Nichts bleibt verborgen

Nichts bleibt verborgen

Titel: Nichts bleibt verborgen
Autoren: Knut Krueger
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Rücken gestiegen und dem Suchkommando der Polizei im gestreckten Galopp entgegengeritten. Die Teenager hatten gekichert. Entweder glaubten sie Franziska kein Wort, oder sie amüsierten sich über ihr drolliges Norwegisch, das nach wie vor alles andere als perfekt war. Franziska war das schnuppe.
    »Nur kein Neid«, entgegnete sie. »Kannst dich ja auch mal entführen lassen.«
    »Also sooo wichtig ist mir ein eigener Fanklub auch wieder nicht.« Alexander öffnete den Reißverschluss der Kühltasche und angelte sich eine neue Dose Solo-Zitronenlimonade. »Willst du?«
    »Danke.« Franziska hielt sich die kühle Dose an die verschwitzte Stirn, ehe sie die Lasche mit einem »Zosch« aufzog und den Kopf in den Nacken legte. Die sprudelnde Flüssigkeit schoss ihr in den Rachen, was einen spontanen Hustenreiz auslöste. Prustend spuckte sie einen Teil auf Alexanders blau-weiß gestreiftes Handtuch, auf dem sie beide saßen, und wedelte mit einer Hand vor ihrem Gesicht herum.
    »Sorry …«
    Alexander schaute sie belustigt an. »Zitrone gibt jedenfalls keine Flecken.«
    »Ich versteh das … nicht«, röchelte sie mit tränenden Augen. »Erst bei Tonje, dann bei dir.«
    Vor einem knappen Jahr war ihr fast an derselben Stelle die Limonade zur Nase herausgeschossen und hatte Tonjes Ballerinas besudelt. Dieses kleine Malheur war quasi der Auftakt zu einer Reihe von Ereignissen gewesen, die Franziska jetzt schon als größte Pechsträhne ihres Lebens betrachtete. Abgesehen von der Tatsache, dass sie damals unter abartigem Heimweh gelitten hatte, war ihre Mutter in einen Blödmann, Aufschneider und Betrüger namens Leif verknallt gewesen, an dem einfach gar nichts echt war, nicht mal sein Name. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, war sie von einem brutalen Bulldoggengesicht in diesen stinkenden Schuppen gesperrt worden, aus dem sie sich nur unter höchster Gefahr hatte befreien können – was ihr im Nachhinein zwei vernarbte Handflächen und einen zweifelhaften Ruf als Provinzpromi beschert hatte.
    Ihr brennendes Heimweh nach München hatte sich inzwischen in eine leise Wehmut verwandelt. Es tat nicht mehr weh, doch war sie ziemlich sicher, dass ihr Oslo niemals in gleicher Weise ans Herz wachsen würde. Sie war aus ihrem alten Leben vertrieben worden und im neuen noch nicht angekommen. Sie fühlte sich wie im Wartezimmer eines Arztes, in dem sie nichts anderes tun konnte, als die Zeit totzuschlagen. Irgendwie schien sie darauf zu warten, dass jemand ihren Namen rief, zum Zeichen, dass es endlich weiterging. Eine vage Ahnung, wer dieser Jemand sein könnte, hatte sie immerhin. Zumindest hätte sie nichts dagegen, wenn der attraktive Junge mit den lässigen Bewegungen und den sanften braunen Augen, der neben ihr auf dem Bauch lag, sich ein bisschen für sie …
    »Franziska!«
    »Äh … was?«
    Alexander schirmte mit einer Hand das Display seines Smartphones ab. »Elias schreibt gerade, dass er mit Håkon im Strandbad ist. Wollen wir zu ihnen rübergehen?«
    Ach, ich weiß nicht.
    »Okay, meinetwegen. Aber vielleicht sollte ich dir vorher noch mal den Rücken eincremen, ich glaube, er ist ein bisschen rot.«
    »Nicht nötig. Hab ich schon zu Hause gemacht.«
    Seufz .
    So packten sie also ihre Sachen zusammen und machten sich auf den Weg zum Strandbad Huk, das etwa eine Viertelstunde von der Paradiesbucht entfernt lag. Alexander trug die Badetasche am Zeigefinger über der Schulter. Franziska hatte sich die Kühltasche unter den Arm geklemmt und hielt sich etwa einen Meter hinter ihm. Auf diese Weise konnte sie am besten ihren Gedanken nachhängen und in aller Ruhe Alexanders gebräunte Beine betrachten, auf denen sich ein Flaum blonder Härchen abzeichnete.
    Was das Beisammensein mit ihm so angenehm machte, war die Tatsache, dass man gut mit ihm schweigen konnte. Jedenfalls brauchte man nicht, wie bei anderen Jungs, nach zehn Sekunden Stille nervös in Schweiß auszubrechen und fieberhaft darüber nachzudenken, was man bloß für eine schlaue oder witzige Bemerkung machen könnte. Alexander sorgte dafür, dass man sich entspannte.
    Mildes Nachmittagslicht flutete den Saum des Strandes, während eine warme Brise Franziska die Haare aus dem Gesicht strich. Milliarden von Lichtreflexen tanzten auf der Wasseroberfläche und verliehen ihr das Bild eines zerbrochenen Spiegels, der bis zum Horizont reichte. Franziska kniff unwillkürlich die Augen zusammen, wodurch sich das endlose Glitzern abermals vervielfältigte, als sähe
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