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In der Mitte des Lebens

Titel: In der Mitte des Lebens
Autoren: Margot Käßmann
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Vorwort
    »Kannst du mir mal sagen, warum du das hundertste Buch zu diesem Thema schreiben willst?«, fragt meine Freundin kritisch, als ich ihr
     beim Strandspaziergang erzähle, womit ich mich gerade beschäftige. »In der Mitte des Lebens« – ja, warum dazu schreiben? Zum 50. Geburtstag habe ich
     selbst mehrere Bücher geschenkt bekommen zum Lebensgefühl von Frauen, die »mittendrin« sind, nicht mehr jung und noch nicht alt. Ein Freund, der uns auf
     dem Spaziergang begleitet, sagt: »Für Männer gibt es so etwas nicht, die wollen sich nicht lange damit beschäftigen, schließlich geht’s dabei ums
     Älterwerden – lieber eine schnelle Diagnose und dann weiter«. Ist es also ein Buch (nur) für Frauen?
    Ich schreibe vor allem als Theologin zu diesem Thema. Der erste Anlass, mich damit zu beschäftigen, war ein Vortrag, den ich beim Deutschen
     Psychotherapeutenkongress in Aachen im Februar 2002 gehalten habe. Damals habe ich, nachdem eine Soziologin und ein Psychotherapeut gesprochen hatten,
     eine christliche Perspektive auf die Lebensmitte zu entwerfen versucht. Das war für mich in der Vorbereitung spannend und für die Anwesenden offenbar eine
     interessante neue Sichtweise. Dazu kommt, natürlich, auch ein persönlicher Blick. In den vergangenen Jahren habe ich selbst immer wieder über diese
     ominöse Mitte nachgedacht, habe diesem Lebensgefühl nachgespürt und wurde auch von anderen danach befragt: Wie erlebst du die Lebensmitte? Biografisch war
     sie bei mir geprägt durch deutliche Einschnitte, eine Krebserkrankung mit achtundvierzig und die Scheidung mit neunundvierzig nach sechsundzwanzig Jahren
     Ehe. Es hat michgestört, dass die Lebensmitte einer Bischöfin gerade in den Anfechtungen für andere zum öffentlichen Diskussionsthema
     wurde. Aber ich habe auch gelernt: Es geht dabei oft um die Frage, was dieses Thema theologisch bedeutet – gibt es christliche Zugänge? So fließen auch
     Erfahrungen aus dem Amt als Bischöfin wie aus dem persönlichen Erleben ein. Beides ist in einem Beruf, der »Profession« (Isolde Karle) ist, ohnehin eng
     verbunden.
    Und dann sind da schließlich einfach diese 50. Geburtstage um mich herum; es wurden viele Freundinnen und Freunde, meine Schwestern und Bekannte in
     letzter Zeit fünfzig, oder sie werden es demnächst. Was macht man mit diesem Geburtstag? Für mich kam der Tag im Sommer 2008. Zunächst wollte ich ihn
     einfach vorüberziehen lassen, aber dann habe ich gemerkt, wie sehr der 50. doch als Zäsur empfunden wird. Keine und keinen lässt dieses Datum kalt. Die
     einen feiern ein rauschendes Fest, andere bemühen sich, den besonderen Geburtstag so normal wie möglich zu begehen, und wieder andere versuchen ihn zu
     übergehen, fahren weit weg und vermeiden die Feier. Aber gleich, welcher Weg gewählt wird: Die Fünfzig ist eine besondere Zahl, das habe ich inzwischen
     verstanden.
    Nun verläuft jedes Leben anders. Was gibt es also Allgemeines zu sagen, zur »Mitte des Lebens«? Die einen leben allein, waren nie verheiratet oder sind
     geschieden oder verwitwet. Die anderen leben in einer langjährigen Partnerschaft oder in zweiter oder dritter Ehe zusammen. Die einen sind noch voll
     berufstätig, vielleicht auf der Suche nach neuen Stellenangeboten, andere beginnen freiwillig oder gezwungenermaßen, den Abschied vom Berufsleben in den
     Blick zu nehmen. Die einen werden Großeltern, die anderen haben noch kleine Kinder, wieder andere sind kinderlos. Biografien heute sind äußerst
     vielfältig.
    Und die Lebensläufe von Männern und Frauen sind oft noch sehr grundsätzlich verschieden. Für Frauen ist das Thema Mutterschaft mit fünfzig zum Beispiel
     endgültig beantwortet, Männer können auch danach noch Vater werden. Mancher Mann brichtmit fünfzig neu auf, gründet eine neue Familie –
     das ist eine Option, die Frauen so nicht offensteht. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau um die fünfzig noch eine neue Partnerschaft beginnt, ist
     deutlich geringer als für einen Mann, weil es immer noch schlichte Normalität ist, dass Männer eine Bindung zu (teilweise erheblich) jüngeren Frauen
     eingehen. Das ist umgekehrt bei Frauen – auch wenn es inzwischen wahrnehmbare Ausnahmen gibt – eher selten. Und so ist ganz einfach die Auswahl an
     potenziellen Partnern für ältere Frauen geringer. Gleichzeitig wird eine Generation von Frauen fünfzig, die in größerer Freiheit und Selbstbestimmung in
     unserem Land lebt, als das je zuvor der
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