Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht schießen, Johnny!

Nicht schießen, Johnny!

Titel: Nicht schießen, Johnny!
Autoren: John Ball
Vom Netzwerk:
Ihnen den Fall übertragen.«
    Tibbs nickte. »Ich weiß bis jetzt nur sehr wenig von dem, was geschehen ist.« Er konzentrierte sich auf Billy. »Wie wär’s, mein Junge, wenn du deinem Vater und mir die ganze Geschichte von Anfang an erzählen würdest? Und laß nichts aus, auch wenn du glaubst, daß es vielleicht nicht wichtig ist. Ich möchte alles hören, in der Reihenfolge, wie es sich abgespielt hat, verstanden?«
    Billy warf einen flehenden Blick auf seinen Vater.
    »Also, da ist dieser komische Junge in der Schule, er heißt Johnny McGuire ...« Er verstummte.
    »Wieso ist er komisch?« fragte Tibbs.
    Billy wetzte auf seinem Sitz verlegen hin und her und knetete seine Hände. »Naja, er ist eben komisch. Er redet irgendwie komisch - anders als andere Leute -, und er ist so komisch angezogen. Er hat bloß eine Jacke, und die ist abgetragen und an den Ellbogen durchgescheuert, und trotzdem hat er sie immer an. Und er geht jedesmal hoch, wenn man ihn ein bißchen neckt. Er kann einfach keinen Spaß vertragen.«
    »Würdest du sagen, daß er jähzornig ist?«
    »Ooch ...« Billy zögerte. »Nein, das nicht. Er ist eigentlich gar kein übler Junge; er mag’s bloß nicht, wenn man ihn aufzieht.«
    »Spielst du oft mit ihm? War er mal dein Freund?«
    »Nein«, bekannte Billy. »Er hat keinen einzigen Freund, weil er neu ist, und weil er eben so komisch ist. Ich necke ihn manchmal, weil das ein Riesenspaß ist. Ich hätt’s vielleicht nicht tun sollen.«
    »Du hast ihn also schon öfter verulkt?«
    Billy nickte.
    »Nun gut, und jetzt erzähl uns, was heute passiert ist.«
    Billy berichtete - zuerst stockend, dann immer rückhaltloser. Er wußte nicht, daß die paar Fragen, die er zuerst beantwortet hatte, den Zweck gehabt hatten, ihm seine Scheu zu nehmen und das Reden zu erleichtern; er wußte nur, daß er jetzt das Ganze noch mal erzählen mußte, und daß er diesmal alles sagen würde. Er empfand es als Erlösung, daß er sein Herz ausschütten konnte. Er schilderte, wie er das Radio an sich gerissen hatte, und wie es durch seine Schuld entzweigegangen war.
    »Und was geschah dann?« fragte Tibbs.
    »Ich sagte, daß es mir leid täte«, erklärte Billy, »aber er hörte mir überhaupt nicht zu. Er flennte, als wär’s ein toter Hund oder so. Ich hab Ihnen ja gesagt, daß er komisch ist. Ich weiß, ich habe ihm sein Radio weggenommen, aber was ist da schon dabei? Radio kann man doch immer und überall hören.«
    »Nicht, wenn man keins hat«, erwiderte Virgil. »Wenn du dir zum Beispiel schrecklich gern die Baseballberichte anhören würdest und hättest kein Radio, dann wärst du vermutlich auch ziemlich unglücklich darüber.«
    »Es gibt aber doch massenhaft Radios«, konterte Billy.
    Tibbs warf Ralph Hotchkiss einen Blick zu. Hotchkiss nickte, zum Zeichen, daß er verstanden habe. Billy konnte sich nicht vorstellen, daß es Leute gab, die sich einschränken mußten; er hatte es nie am eigenen Leib erlebt, und so war für ihn die abgetragene Jacke nur ein Symptom für exzentrisches Verhalten.
    »Mit Mr. Tibbs’ Erlaubnis möchte ich gleich an dieser Stelle sagen, Billy, daß wir zwei, wenn das alles hier vorbei ist, losziehen und für den kleinen McGuire ein neues Radio kaufen. Wir suchen ein besonders schönes aus, und du mußt es von deinem Taschengeld bezahlen. Und dann gehen wir zu den McGuires und du bittest sie um Entschuldigung. Du hast dich sehr schlecht benommen, und deshalb gehen wir noch heute Abend hin.«
    Die Worte hatten nicht die beabsichtigte Wirkung. Der Junge, der eben noch zerknirscht und fügsam gewesen war, bäumte sich auf; er ballte die Hände und zog die Füße ein, als wollte er mit einem wilden Satz Reißaus nehmen und sich irgendwo verstecken. »Nein!« schrie er. »Du verstehst das nicht! Johnny McGuire will mich erschießen!«
    Ralph Hotchkiss zog seinen Sohn an sich. »Ruhig, Billy«, sagte er mahnend, »du regst dich viel zu sehr auf. Wie alt ist Johnny McGuire eigentlich?«
    »Neun - glaube ich ...«
    »Na schön, dann ist er also noch ein kleiner Junge - kleiner als du. Ich glaube nicht, daß wir seine Drohungen gar zu ernst nehmen müssen.«
    Billy erschauerte. Keiner glaubte ihm. Noch einmal versuchte er, die Erwachsenen zu überzeugen. »Dad, du verstehst das nicht. Johnnys Vater hat einen Revolver. Er ist geladen, und Johnny hat ihn jetzt.«
    Hotchkiss sah rasch zu Tibbs hinüber. Der Beamte nickte grimmig. »Das ist ganz alltäglich. Wir empfehlen den Bürgern immer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher