Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht schießen, Johnny!

Nicht schießen, Johnny!

Titel: Nicht schießen, Johnny!
Autoren: John Ball
Vom Netzwerk:
müßte längst hier sein«, erklärte Mike, als könnte er Johnny damit herbeizaubern.
    Maggie stand auf, öffnete die Haustür und hielt Ausschau. Als sie zurückkam, war ihre Miene angsterfüllt. Sie sagte nichts, weil es nichts zu sagen gab.
    »Vielleicht ist er in seinem Zimmer eingeschlafen«, sagte Mike schnell und ging die paar Schritte voran in Johnnys winzige Klause. Er war nicht da. Sein Bett war noch so glatt und unberührt, wie es seine Mutter nach dem Aufräumen hinterlassen hatte. Sie standen beide da und starrten auf das schmale leere Bett.
    »Ist sein Radio da?« fragte Mike.
    Maggie brauchte nicht lange zu suchen, um festzustellen, daß es weg war. Während sie sich umsah, stieß sie auf Johnnys kleine Sparbüchse, ein flaches Metallkästchen, das man abschließen konnte. Sie hütete sich, es auch nur anzufassen, denn es enthielt ein Geheimnis, das sie mit ihrem Sohn teilte.
    Mike wandte sich dem anderen Schlafzimmer zu. Er riß die Tür auf und warf einen Blick hinein. Auch leer. Er war enttäuscht, sagte sich aber, daß sein Sohn sich natürlich in sein eigenes Bett gelegt hätte, wenn er müde gewesen wäre. Aber man mußte eben überall nach ihm suchen.
    Dann dachte er an Kidnapper. Manchmal entführten sie Kinder, ohne sich vorher über die Eltern zu informieren und wieviel Geld dabei für sie herausspringen könnte. Ein anderer Gedanke schoß ihm durch den Kopf: Johnny war jetzt neun, und es gab Männer, die nach Jungen in dem Alter Ausschau hielten. Er biß die Zähne zusammen, es kochte in ihm, und einen Moment lang sah er im Geiste vor sich, wie er jedem, der so etwas bei seinem Sohn versuchte, die Kehle zusammendrückte. Dann zwang er sich zur Ruhe und machte sich klar, daß Johnny wenig mehr als eine Stunde überfällig war. Bei einem Jungen hatte das nicht viel zu bedeuten.
    Er drehte sich zu Maggie um. »Es bleibt ja jetzt lange hell - bis halb neun oder später. Vermutlich spielt er irgendwo Baseball und hat vergessen, wie spät’s schon ist. Kinder sind nun mal so. Komm, wir essen weiter.«
    Zögernd akzeptierte Maggie seine Entscheidung und ging in die Küche zurück, wo das Rindfleischstew inzwischen kalt und unansehnlich geworden war. »Das ist schon okay«, sagte Mike, »so schmeckt’s mir genauso gut.« Er schaufelte sich stumm eine Gabel voll nach der anderen in den Mund und horchte dabei angespannt auf das Getrappel von Füßen auf dem asphaltierten Gehsteig draußen. Als er Schritte hörte, sprang er auf, obwohl er sofort erkannte, daß sie nicht von seinem Sohn stammen konnten. Als es klingelte, war er bereits an der Tür.
    Er schwang die Tür weit auf und sah sich einem schlanken, gutgebauten Neger gegenüber, der Anfang der Dreißig zu sein schien.
    »Ja?« fragte Mike.
    »Mein Name ist Tibbs«, sagte der Mann. »Ich bin von der Polizei. Ich muß unbedingt sofort mit Ihnen und Ihrem Sohn sprechen.«
    »Also, Johnny ist nicht hier!« schmetterte Mike. Dann kam ihm plötzlich der Gedanke, daß der Schwarze Neuigkeiten für ihn haben könnte, und die Brust wurde ihm eng. »Was ist passiert?« fragte er.
    »Bis jetzt noch nichts. Darf ich hereinkommen, bitte?«
    Mike, von einer Aura der Feindseligkeit umgeben, trat widerwillig beiseite. Er hatte Polizisten noch nie gemocht und mochte sie in diesem Moment weniger denn je.
    Maggie blickte auf und sah, daß der Besucher besser gekleidet war als ihr Mann. Sie wußte nicht recht, wie sie sich hinsichtlich seiner Hautfarbe ihm gegenüber verhalten sollte, aber Besorgnis überwog alle anderen Gefühle, und so sagte sie: »Setzen Sie sich doch bitte.«
    Virgil Tibbs setzte sich an den Tisch und wartete gleichmütig ab, bis sich Mike McGuire hinreichend abgekühlt hatte, um sich zu ihnen zu gesellen.
    »Soweit wir wissen, ist Ihrem Sohn nichts geschehen«, begann Virgil. »Können Sie mir sagen, wann Sie ihn zuletzt gesehen haben?«
    Maggie preßte den Handrücken gegen die Stirn. »Er kam nach der Schule nach Hause und wirtschaftete eine Weile in seinem Zimmer herum. Ich habe nicht besonders darauf achtgegeben; ich war gerade beim Bügeln. Dann ging er wieder weg.«
    »Ist er früher schon mal so lange ausgeblieben?«
    »Nein, noch nie«, antwortete Mike.
    »Könnte er vielleicht bei irgendwelchen Freunden sein?«
    Maggie bestätigte unabsichtlich das, was Billy Hotchkiss bereits ausgesagt hatte. »Er hat hier noch keine Freunde. Wir sind neu hier.«
    Tibbs sagte: »Ich vermute, Sie verließen Tennessee im Februar.«
    Mike beugte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher