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Nicht schießen, Johnny!

Nicht schießen, Johnny!

Titel: Nicht schießen, Johnny!
Autoren: John Ball
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aber nichts. Sein Schweigen war soviel wie ein Ja, aber selbst in dieser Form kam es ihn hart an.
    »Ich habe mich über die Strafsache informiert, die wegen des Verkehrsvergehens gegen Sie anhängig ist«, fuhr der Captain fort. »Der andere Wagen wurde beschädigt, und entweder Sie oder Ihre Versicherung werden für die Kosten aufkommen müssen. In Anbetracht Ihres Gesinnungswechsels uns gegenüber und aufgrund anderer Erwägungen bin ich bereit, diesmal noch ein Auge zuzudrücken. Die Anzeige wegen rücksichtslosen Fahrens wird gestrichen. Sie bekommen den üblichen Strafzettel. Sie sparen damit eine Menge Geld, und ich schlage vor, daß Sie Ihren Sohn dafür zum Baseball führen.«
    Mike sah verstohlen zu seiner Frau hinüber, und ihre Miene machte ihm Mut. Er holte tief Luft und sagte einfach: »Ja, Sir, das werde ich tun. Vielen Dank. Ich hätte die hohe Geldstrafe nicht bezahlen können; wir sind ziemlich knapp dran.«
    »Verstehe. Wo haben Sie Ihren Wagen geparkt?«
    »Auf dem Parkplatz gegenüber.«
    »Dann ist’s vielleicht besser, wenn einer meiner Männer ihn zum Hinterausgang bringt. Vom geht es im Moment ein bißchen laut zu, und Sie sollten sich vor der aufgebrachten Menge lieber nicht zeigen.«
    Virgil war, noch bevor er einen Blick riskiert hatte, schon im Bilde. Er spähte zum Fenster hinaus, Sah die Demonstrantenkette, die Schilder mit seinem Namen, den hochgewachsenen Schwarzen in der grellen afrikanischen Tracht. Das war keine Massenkundgebung, sondern die relativ friedliche Demonstration einer kleinen, aber militanten Gruppe.
    »Ich kümmere mich darum«, sagte Tibbs.
    »Lieber nicht«, sagte der Captain. »Die Kerle sind auf Ihren Skalp aus. Larry Harnois ist der richtige Mann dafür.«
    »Larry ist verdammt gut«, konterte Tibbs, »aber das ist
    mein Bier. Es ist eine Frage der Hautfarbe.«
    Nun, wo er die Sitzung im Büro des Captains hinter sich hatte, fühlte Virgil sich seltsam entspannt und gelassen. Die Tatsache, daß fünfzig oder sechzig Männer vor dem Polizeipräsidium demonstrierten, seine Handlungsweise anprangerten, beunruhigte ihn nicht im mindesten. Johnny McGuire befand sich wieder in der Obhut seiner Eltern, heil und ganz. Dempsey saß in Untersuchungshaft, und die unmittelbare Krisis war vorbei. Die paar Demonstranten waren lästig, aber keine Gefahr.
    Selbstsicher schritt er durch die Vorhalle, stieß die Tür auf und ging die Stufen hinunter. Der Anführer der Demonstrantengruppe erspähte ihn als erster. Er heulte auf und breitete die Arme aus, um seine Anhänger mobil zu machen.
    Tibbs ging in gleichmäßigem Tempo auf ihn zu und blieb fünf Schritte von ihm entfernt stehen. »Sie wollten mich sprechen?« fragte er.
    Der Mann stützte die Hände in die Hüften und musterte Tibbs mit unverhüllter Feindseligkeit. »Du hast dein eigenes Volk verraten«, rief er vorwurfsvoll.
    »Welches Volk?« erkundigte sich Virgil.
    »Die Schwarzen!«
    »Ist das alles, was ihr für euch selbst sagen könnt - daß ihr schwarz seid?« gab Tibbs zurück.
    Der Anführer hielt Tibbs eine kräftige Faust unter die Nase. »Komm mir nicht frech, du! Mit dir werde ich noch lange fertig!«
    Tibbs betrachtete die schwarzen Gesichter und begriff, daß er es hier mit den sturen Typen zu tun hatte, die durch nichts zu beeinflussen waren.
    »Wo ist der gottverdammte weiße Junge, der unseren schwarzen Bruder abgeknallt hat?«
    »Der Mörder sitzt da oben in Untersuchungshaft.« Virgil zeigte flüchtig auf den vierten Stock des Präsidiums. »Und für den Fall, daß es euch interessiert - er ist kein Weißer.«
    Proteste wurden laut; die Demonstranten rückten dichter zusammen. Der Anführer füllte seine kräftigen Lungen und donnerte los: »Ich reiße dich in Stücke! Ich werde dafür sorgen, daß du im Staube kriechst und vor dem schwarzen Volk, das du verraten hast, um Gnade winselst! Du wirst noch den Tag verfluchen, an dem du geboren worden bist!« Er hob die Arme, so daß die Farbenpracht seiner afrikanischen Gewänder die Szene beherrschte.
    »Ach, hör schon auf«, sagte Tibbs angewidert, »du bist ein Schwindler. Du kannst bloß laut schreien und die Mao-Fibel lesen, wenn du auf der Anklagebank sitzt. Ich weiß besser als du, was es heißt, ein Neger zu sein. Ich habe im Süden schon um unsere Bürgerrechte gekämpft, als du noch gar nicht wußtest, was das ist... Schon als Kind träumte ich davon, daß ein großer Mann mit schwarzer Haut kommen und daß die ganze Welt zu ihm aufsehen und ihn
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