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Nicht schießen, Johnny!

Nicht schießen, Johnny!

Titel: Nicht schießen, Johnny!
Autoren: John Ball
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Kostbarkeit, die ihm ganz allein gehört hatte, war ihm entrissen worden.
    Von einem Mörder.
    Billy hatte ihm sein Radio weggenommen, hatte es gequält und schließlich umgebracht.
    Seine Gefühle schlugen um. An die Stelle hoffnungslosen Kummers trat jähe blinde Wut. Sein Körper versteifte sich, so daß er kaum zu atmen vermochte. Ihn packte das leidenschaftliche Verlangen, sich zu rächen. Er schluchzte noch einmal auf und umklammerte das geborstene Plastikgehäuse seines geliebten, unersetzlichen, einzigen Gefährten.
    Mit erschreckender Klarheit erkannte er, daß Billy für das, was er getan hatte, würde zahlen müssen. Er dachte an den Rat seines Vaters und beschloß, danach zu handeln.
    Es mit den Fäusten auszukämpfen, war sinnlos. Billy konnte schneller laufen als er, war größer und stärker und hatte viel längere Arme. Aber es gab ein anderes Mittel, um Billys höhnisches Lachen wegzuputzen und ihn für seine Grausamkeit zu bestrafen. Er würde sich rächen und seine zerstörte Ehre wiederherstellen können, weil er wußte, wo sein Vater seinen Revolver aufbewahrte.

2. Kapitel

    Estelle Hotchkiss machte sich Sorgen um ihren Sohn.
    Als er aus der Schule kam, war ihr zunächst nichts Besonderes aufgefallen, obwohl er stiller war als sonst und ihr auf ihre Fragen nur einsilbige Antworten gab. Sie schob das auf sein schwieriges Alter und ging schweigend darüber hinweg.
    Später hatte das Telefon geläutet. Billy hatte ein kurzes Gespräch geführt, und als sie ihn danach sah, machte er einen völlig verschreckten Eindruck.
    »Ist irgendwas passiert?« fragte sie. Er murmelte etwas vor sich hin, und sie bestand nicht auf einer Antwort. Er war oft so, wenn ihm irgend etwas gegen den Strich ging. Er kam neuerdings mit Geschichte nicht zurecht und hatte vor kurzem erwähnt, daß sie demnächst eine Klassenarbeit über den amerikanischen Freiheitskrieg schreiben würden. Das war vermutlich der Grund - er wußte, daß er die Arbeit verhauen hatte, und das bedrückte ihn.
    Das bißchen Angst würde ihm nicht schaden; es würde ihn vielleicht sogar dazu anspornen, sich das nächstemal etwas mehr anzustrengen.
    Um fünf Uhr war Billys sonderbare Niedergeschlagenheit noch immer nicht verflogen, sie hatte sich im Gegenteil vertieft. Estelle war inzwischen zu dem Schluß gekommen, daß es sich nicht nur um eine verhauene Klassenarbeit handeln konnte. Da steckte mehr dahinter. Sie war überzeugt, daß ihr Sohn, wenn er es nicht mehr länger aushielt, damit herausplatzen würde, und so ging sie weiter ihrer Hausarbeit nach und wartete den kritischen Moment ab.
    Er kam, als sie sagte: »Billy, geh mal raus und schau nach, ob die Zeitung schon da ist, ja?«
    »Ich mag nicht«, entgegnete er kurz. Eine solche Antwort war sie von ihm nicht gewöhnt.
    Sie hielt in der Arbeit inne, die sie gerade machte, und sah ihn an. »Billy, ich habe dich um was gebeten. Jetzt tu’s aber bitte auch.«
    »Ich kann nicht.«
    Es überlief sie kalt bei den drei kurzen Worten. So hatte ihr Sohn noch nie zu ihr gesprochen. Sie legte die Mohrrübe, die sie gerade schabte, und das Küchenmesser weg, drehte sich um und betrachtete ihn forschend.
    Billy stand mit hängendem Kopf da.
    »Schau mich an, Billy«, sagte sie.
    Er gehorchte zögernd.
    »Was ist los, Kind? Schon die ganze Zeit, seit du aus der Schule gekommen bist, benimmst du dich so seltsam. Ich weiß, daß irgendwas passiert ist, und ich möchte, daß du’s mir erzählst.«
    Nach einer Weile ließ er den Kopf wieder sinken und blieb stumm. Zuerst dachte sie, es wäre Eigensinn, dann spürte sie aber, daß es viel mehr als das war. Sie ging vor ihm in die Hocke, so daß er sein Gesicht nicht mehr vor ihr verstecken konnte. »Sag mir, was passiert ist«, wiederholte sie.
    »Das kann ich dir nicht sagen«, murmelte er nach einer langen Pause. Man merkte ihm an, daß er am liebsten gar nichts gesagt hätte.
    Estelle Hotchkiss hatte drei Brüder, von denen einer älter, die zwei anderen jünger waren als sie selbst, und so kannte sie sich in der zuweilen höchst eigenartigen Jungenwelt gut aus. »In der Schule gab’s Ärger, nicht wahr?«
    Billy nickte widerwillig.
    »Mit einem Lehrer?«
    »Nein.«
    Aus seinem Tonfall und den stockenden Antworten schloß sie, daß er irgend etwas angestellt haben mußte. Er hatte offenbar ein schlechtes Gewissen, weil er gar nicht versuchte, sich zu verteidigen. Sie preßte die Lippen zusammen, dachte nach und sah ihren Jungen dann wieder forschend
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