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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc.
Autoren: Stephanie Linnhe
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aufgeschrieben hätte, trotzdem fuhr ich die Reihen gewissenhaft mit dem Finger entlang. Bei all den Bewerbungen der letzten fünf Monate war ich mir selbst nicht mehr so sicher.
    Als ich am Ende angelangt war, bewegte ich den Finger wieder nach oben und murmelte dieses Mal die Firmennamen mit. Ohne Erfolg. Also war die Mail ein Irrtum. Es lag an mir, ihn aufzuklären.
    Ich seufzte, ließ das Buch wieder in der Schublade verschwinden, wandte mich dem Computer zu und legte die Finger auf die Tastatur. Doch ich schrieb nicht. Eine Horde Zweifel hielt mich zurück. Stand hier womöglich Chance gegen Ehrlichkeit? Verschenkte ich die Möglichkeit, das Sprungbrett in eine Freiheit außerhalb des Elternhauses zu betreten, wenn ich die Sache richtigstellte?
    Ich zog einen Finger nach dem anderen zurück.
    Normalerweise fanden derart kriminelle Gedanken keinen Platz in meiner Welt. Das war ein eindeutiges Indiz für meine Verzweiflung über die Tatsache, dass ich mich nach Zeiten mit Job und eigener Wohnung nun, mit dreiundzwanzig Jahren, wieder mit den Launen meiner Mutter herumschlagen musste. Interessanterweise nahmen Alessias mütterliche Allüren mit der Zeit zu, als wollte sie mich erst in Sicherheit wiegen, um mir dann die volle Breitseite zu liefern. Es gab kaum einen Tag, an dem sie nicht ins Bad platzte, wenn ich gerade unter die Dusche wollte. Sei es, um mir ihren neuesten Nagellack zu präsentieren, den Lidschatten aufzufrischen oder sich vor dem Spiegel zu drehen und ihre Rückenansicht zu begutachten. Es machte mich wahnsinnig, und jedes Mal rief ich mir ins Gedächtnis, dass es keine gute Idee war, einen Schreikrampf zu bekommen. Immerhin war ich nur noch Gast. Längere Badezimmerbesuche waren ein seltenes Vergnügen für mich geworden, weil ich mich schlicht kontrolliert fühlte. Ich befürchtete, dass nächtliche Patrouillengänge vor meinem Zimmer oder Ausgangssperren nach Mitternacht als Nächstes auf dem Plan standen.
    Lange würde ich das nicht mehr durchhalten. Seit fünf Monaten bemühte ich mich um Arbeit, dabei waren meine Zeugnisse nicht schlecht. Nach der Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation hatte ich sogar die Frechheit besessen, mir etwas auf meine Noten einzubilden.
    So etwas machte ich nicht häufig. Ich gab ungern mit meinen Leistungen an und hasste es, im Mittelpunkt zu stehen. Es war doch viel einfacher, andere dabei zu beobachten, wie sie sich schillernder darstellten, als sie waren, und wie wieder andere darüber die Augen verdrehten. Unbemerkt versteht sich, zumindest für den Redner. Ihren Nachbarn dagegen rückten sie mit rollenden Pupillen so dicht auf die Pelle, dass es einer Massage gleichkommen musste.
    Doch ob Selbstdarstellungsprofi oder nicht, auf dem Jobmarkt sah es eng aus. Darüber hinaus fehlten mir wichtige Kontakte. In meiner Familie gab es weder einflussreiche Persönlichkeiten noch Mafiosi. Der italienische Familienschlag stammte enttäuschenderweise aus einem Dorf an der Schweizer Grenze. Ich kannte keinen Geschäftsmann, der ein Auge auf mich geworfen hatte. Alles in allem standen die Chancen schlecht.
    Ich gönnte mir weitere Sekunden des Selbstmitleids, atmete tief durch und konzentrierte mich auf das Wesentliche.
    Recherche.
    Die Suchmaschine spuckte beim ersten Durchlauf einige Ergebnisse aus, die ich neugierig überflog. Keines deutete auf eine Marketingfirma hin und eine Webseite fand ich auch nicht. Ich versuchte es auf Umwegen, nutzte die Abkürzung ABM , den Namen Stacey Enn, die Mailadresse und weitere Kombinationen, doch hinterher war ich ebenso schlau wie zuvor.
    Das konnte doch nicht sein. Welches Marketingunternehmen besaß heutzutage keinen Onlineauftritt? Abgesehen davon gab es nicht einmal den kleinsten Anhaltspunkt, kein Bericht, keinen Hinweis auf den Webseiten zufriedener – oder unzufriedener – Kunden.
    Ich hasste es, wenn sich Fragen anhäuften. Zum Beispiel die, wo genau ich am kommenden Montag den ersten Arbeitstag antreten sollte. Der skeptische Teil meines Ichs brüllte mir Dinge wie Spam und Briefkastenfirma zu, während ich mein Gesicht in den Händen verbarg und merkte, wie mein Kopf immer schwerer wurde.
    »Blöde Kuh«, murmelte ich und wusste nicht, ob ich das Schicksal meinte, das mit ziemlicher Sicherheit ein Mütterchen mit grauem Haarknoten, Gehstock und einem fiesen Grinsen war, oder Stacey Enn. Wo auch immer diese Meistersekretärin meinen Familiennamen ausgegraben hatte, sie hätte genauer hinschauen sollen. Immerhin
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