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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc.
Autoren: Stephanie Linnhe
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hatte sie sich nicht sofort von einem angeblichen Migrationshintergrund abschrecken lassen. Pluspunkt für sie. Wenn die Empfangsdamen vieler Firmen mein Bewerbungsfoto ebenso aufmerksam betrachteten, wie sie meinen Nachnamen lasen, so ahnte ich, was sie sich vorstellten: Eine kurvige Immigrantin mit Sprachdefizit, die ihre Slips in Eineuroläden erstand, weil sie jeden Cent in einen Dolmetscher steckte, der ihre Bewerbungsschreiben aufpolierte. Mit di Lorenzo verband sich in den Vorstellungen der Menschen eben keine Frau mit honigblonden Locken und hellblauen Augen.
    Ich seufzte, loggte mich aus und fuhr den Computer hinunter. Wer auch immer sich hinter ABM verbarg, mich bekam er nicht.
     
    »Mensch, Nala.« Kim stopfte sich ein Stück Muffin in den Mund und verteilte vor lauter Begeisterung Krümel auf ihrem ferrariroten Pullover. »Was ist, wenn du dir da eine Chance entgehen lässt? Klar, es ist bizarr, aber das macht es gerade interessant. Du musst herausfinden, wer dahinter steckt. Im schlimmsten Fall hattest du zumindest etwas Abwechslung. Ein Abenteuer.«
    Davon erlebst du viel zu wenige, sagte ihr Blick.
    Für meine beste Freundin war das gesamte Leben eine Sensation. Sie studierte noch und ließ sich Zeit, weil sie sich nebenher in zu viele Projekte stürzte. Entscheidungen dauerten bei ihr nie länger als wenige Minuten, wohingegen ich tagelang grübeln konnte. Vielleicht war das mein Fehler. Ich plante gewisse Dinge zu lange. Dinge wie mein Leben.
    Oder wie das passende Gegenargument. Ich starrte durch die Gegend, sah lachende Gesichter und dampfende Tassen, und überlegte.
    Obwohl es nicht einmal Mittag war, standen die Leute vor der Kasse in Carly’s Café Schlange. Es duftete nach Kaffee und süßen Gebäckteilchen. Hier dominierten eindeutig Frauen die Szenerie. Egal, auf welchem Stand sich die wissenschaftlichen Studien befanden, Kuchen in Verbindung mit Kaffee lag weit im Inland unseres Territoriums. So sehr die Männer auch in der Wildnis herumhackten, an diesem kulinarischen Tempel schlichen sie stoisch vorbei.
    Ich mochte das Carly’s , so wie ich Westburg mochte. In dieser Stadt war ich aufgewachsen, hier wohnten meine Freunde und meine Familie. Ich kannte beinahe jeden Winkel. Das klang für den einen oder anderen vielleicht langweilig, aber verzweifelt zu versuchen, in einer fremden Stadt am Single-Tisch Anschluss zu finden, war auch nicht der Hauptgewinn.
    »Mir gefällt es hier eben«, sagte ich. »Ich möchte nicht weg. Außerdem ist es sicher nur ein dummer Scherz. Oder Spam.«
    Kim wäre nicht sie selbst, wenn sie das Argument durchgehen lassen würde.
    »Das weißt du erst, wenn du am Montag dort hingehst«, rief sie so laut, dass sich mehrere Gäste nach uns umdrehten.
    Ich spürte Wärme auf den Wangen und wusste, dass sie soeben mit der Farbe von Kims Pullover konkurrierten. Neben meiner Freundin war ich ein Mauerblümchen, auch wenn sie ihre pixiekurzen Haare färbte, um jenen Honigton zu erreichen, der dem meines Lockenkopfs ähnelte. Doch mit ihren kniehohen Stiefeln und dem kurzen Rock konnte meine Alltagsmontur aus Jeans und Top einfach nicht mithalten.
    Ich bedeutete ihr, leiser zu reden. Dann spielte ich den letzten Trumpf aus.
    »Ich weiß doch nicht einmal, wo ich genau hinsoll. Adamant Bunch könnte überall sein.«
    »Dann mailst du denen und fragst.« Sie blinzelte mir verschwörerisch zu. »Und denk daran, den Namen der guten Stacey falsch zu schreiben.«

2
    Heldenmomente
     
     
     
    E s dämmerte, als ich in unsere Einfahrt bog. Das Licht der Außenbeleuchtung malte zaghafte Schatten auf den Kies, der unter meinen Schritten leise knirschte.
    Im Haus wehte mir Bratenduft entgegen, in der Küche klirrte und polterte es. Ich ließ die Tür lauter als nötig ins Schloss fallen. Die Reaktion kam sofort.
    »Schahaatz?«
    Mein Vater klang so gut gelaunt wie immer, wenn er sich mit Fettspritzern und Mehlschwitze auseinandersetzte. Ich verzichtete auf eine Antwort, weil das Topfgeklapper in diesem Moment so laut wurde, dass ich dagegen hätte anschreien müssen. Stattdessen begab ich mich freiwillig in die Küche, den Ort, wo Pa bevorzugt seine Schlachten schlug.
    Der Geruch wurde intensiver und entpuppte sich als ein Potpourri aus Schmorbraten, Zwiebeln und Karotten. Jürgen di Lorenzo stand in der Mitte des Raumes, strahlte mich an und winkte mir mit einem Messer zu.
    »Ah, Nala. Hast du Hunger?«, fragte er. »Das Essen ist fast fertig.«
    Weder wollte er wissen, wo ich
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