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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition)
Autoren: Heinz Buschkowsky
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des Bildungsgipfels zu erreichen, müssen wir noch ordentlich zulegen und mindestens 25 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Allerdings muss ich darauf hinweisen, dass es für einen Laien ausgesprochen verwirrend ist, die unterschiedlichen Zahlen, die vorgelegt werden, zu interpretieren. Die OECD und die Bundesregierung definieren Bildungsausgaben unterschiedlich. Bei den Erhebungen der OECD bleibt ein Teil der Bildungsausgaben, die in das nationale Bildungsbudget einfließen, unberücksichtigt. Hierunter fallen Weiterbildungsausgaben sowie sonstige bildungsrelevante Aufwendungen beispielsweise für Krippen, Horte und Volkshochschulen. Deutschland würde sich unter Einbeziehung dieser Posten sicherlich um ein, zwei Plätze verbessern können. Doch wie Deutschland bei Erweiterung der engen OECD -Kriterien etwas zulegen würde, so wäre das auch bei anderen Ländern der Fall. Man kann es also drehen und wenden, wie man will. Wir können uns die Bildungsausgaben nun einmal nicht schöner rechnen.
    Gut im Rennen liegen wir hingegen bei den Ausgaben des Gesundheits- und Sozialsystems. Bei der Familienförderung können wir mit 3   % des Bruttoinlandsprodukts, das sind etwa 180 Milliarden Euro, stärker punkten. Hier geben wir das meiste Geld aller OECD -Staaten aus. Bei der Effizienz belegen wir allerdings nach einer Wertung aus 2008 den drittletzten Platz. Nur Nord-Korea und die Slowakei sind hinter uns. Woran liegt das? Weniger Geld und bessere Ergebnisse in anderen Ländern. Die anderen geben etwa 50   % der Fördermittel in die Institutionen der Kindererziehung, also Krippen, Kindergärten, Horte, Ganztagsschulen, Erzieher, Lehrer. Bei uns sind es nur 20   % bis 25   %. In Deutschland liegt der Schwerpunkt bei den Direktleistungen an die Eltern. Gelänge es, an dieser Stellschraube zu Veränderungen zugunsten der Institutionen zu kommen, dann würde sich auch der Bildungs-Input für die Kinder und damit letztendlich der Output der Leistungsfähigkeit verändern.
    Es ist ein völliger Wildwuchs entstanden. Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums gibt es über 150 verschiedene Leistungen für Familien in Deutschland, die mit 125 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Hierin sind steuerliche Erleichterungen noch nicht einmal enthalten. Von Erfolg jedoch keine Spur. Die Geburtenrate ist auf einem historischen Tiefstand. Plakativ formuliert, kann man sagen: Noch nie hat Deutschland so viel Geld für die Familienförderung ausgegeben. Noch nie war die Geburtenrate so niedrig wie heute. Noch nie war die Familienpolitik so erfolglos wie im Moment. Es ist einfach nur ein Desaster. Wir glauben, mit punktuellen Geldprämien die Strukturmängel für Familien kompensieren zu können. Das ist jedoch kindisch. Für 20 Euro mehr Kindergeld, 150 Euro Herdprämie oder 1800 Euro Elterngeld für 14 Monate treffen Menschen keine Grundsatzentscheidung und wandeln ihre Skepsis nicht in Zustimmung für eine Familiengründung. Dazu gehört mehr. Nämlich ein dauerhaftes System an optimaler Betreuung der Kinder und Flexibilität in der Arbeitswelt. Die vorhandenen Programme sind zum großen Teil ein Lehrstück für Mitnahmeeffekte. Familienförderung ist wie Integrationspolitik. Man muss sie wirklich wollen und dann Nägel mit Köpfen machen. Ein bisschen rumkleckern hier und da bringt gar nichts.
    Hinzu kommt, dass die frühkindliche Bildung bei uns im Vergleich zu den Hochschulen nicht besonders gut angesehen ist. In den USA ist das genau umgekehrt. Jörg Dräger bemängelt zu Recht, dass bei uns Studiengebühren von 83 Euro im Monat als sozialschädlich wieder abgeschafft, aber bis zu 600 Euro im Monat Kosten für einen Kita-Platz als völlig normal akzeptiert werden. Dahinter steht natürlich die Ideologie, dass Kindererziehung Sache der Eltern ist und den Staat nichts angeht.
    Die klassische Form der Finanzierung von zusätzlichen Staatsaufgaben ist die Kreditaufnahme. Das geht leicht und ist auch bequem. Die Rückzahlung dieser Schulden bürdet man künftigen Generationen auf. Ein bisschen das System Griechenland, wenn es da die dumme Schuldenbremse nicht gäbe. Als bei der Finanzkrise unsere Bankenwelt am Zusammenkrachen war, klappte das System aber noch ganz gut. Ich habe den Überblick verloren, wie viele Milliarden Euro der sprichwörtliche Steuerzahler beisteuern musste. Ich erinnere mich aber gut daran, dass unser Finanzminister befragt wurde, ob er für eine Kindergartenpflicht sei. Er sagte, nein, das wäre zu teuer, weil zu
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