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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition)
Autoren: Heinz Buschkowsky
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für die deutschen Kinder Lehrer fehlen. Wir baden vor Ort das aus, was die große Politik mit Lächeln im Blitzlichtgewitter unterschrieben hat. Ich weiß von meinen Besuchen in anderen deutschen Städten, dass dort die Situation identisch ist. Ein Jugendamtsleiter sagte auf einer Tagung zu mir: »Wenn ich das Kinder- und Jugendhilfegesetz auf die Roma-Familien bei uns anwende, ist meine Stadt in einem Jahr pleite. Die Menschen leben in einer anderen Kultur nach anderen Gesetzen.« Ich denke, er hat recht. Auf unser Sozialsystem kommt eine neue Herausforderung zu. Auch bei den Roma gibt es zur Integration keine Alternative.
    Wir berieten eines Tages auf Verwaltungsebene eine Stellungnahme des Senats zur Roma-Einwanderung. Es war davon die Rede, dass Berlin Europas Referenzstadt für die Integration der Roma werden solle. Als ich anregte, dann aber wenigstens eine pauschale Formulierung in den Text aufzunehmen, dass auch Gelder hierfür bereitgestellt werden, lautete die Antwort eines Senatsmitglieds: »Sind Sie verrückt? Wir machen es denen hier doch nicht noch bequemer!« So weit zum Problembewusstsein und zur Glaubwürdigkeit von Politikersprüchen.
    Der Vollständigkeit halber möchte ich hier eine Lanze für das Programm »Soziale Stadt« brechen. Seit 13 Jahren wird mit diesem System der Städtebauförderung versucht, in die scheinbar naturgesetzlichen Abläufe der sozialen Brennpunkte einzugreifen. Auf diesem Weg gab es viele Erfolge. Dennoch konnte der große Durchbruch nicht gelingen. Denn auch Quartiersmanagement ist wieder nur ein unverbindliches Angebot. Man kann es annehmen und mitmachen oder es sein lassen. Die Konsequenz aus dieser Philosophie ist, dass es ein Instrument für die in den Gebieten verbliebenen deutschen Bürger ist. Bei Veranstaltungen frage ich häufig: »Wo sind denn die Migranten?« Ich denke, die Kraft des Quartiersmanagements müsste gestalterischer wahrnehmbar werden. Dazu gehört auch, dass ihm eine mitbestimmende Funktion im Sozialraum eingeräumt wird. Vielleicht machen dann auch mehr mit. Die Quartiersräte werden im Wohngebiet gewählt. Die Wahlbeteiligung ist so lächerlich gering, dass ich mich nicht traue, sie hier zu nennen. Mitunter genügt ein intakter Bekanntenkreis im Hausaufgang oder ein großer Stammtisch in der Eckkneipe, um seinen Platz im Quartiersrat sicher zu haben. Das ist ein bisschen bösartig, ich weiß. Quartiersmanagement ist eine tolle Sache, nur die Verzahnung mit der Bevölkerung in ihrer ganzen Breite, die haben wir noch nicht überall hinbekommen.
    Kostenlose Kindergärten und ihr flächenmäßiger Ausbau, die Umstellung unseres Schulsystems komplett auf Ganztagsschulen, eine besondere Ausstattung für Brennpunktschulen, die Fortführung des Quartiersmanagements, eine Wirtschaftsförderung für soziale Brennpunkte, all diese Strukturverschiebungen werden nicht kostenlos zu realisieren sein. Wir werden Geld in die Hand nehmen müssen. Und zwar nicht wenig. Eine neue Infrastruktur für Kinder herzustellen, um damit gleichzeitig auch der Integrationspolitik völlig neue Impulse zu verleihen, ist ein Stück soziale Revolution. Das geht nicht von heute auf morgen, nicht mit einem Parteitagsbeschluss und auch nicht aus der Portokasse. Aber wir werden irgendwann begreifen müssen, dass uns die Entwicklung überhaupt keine Handlungsspielräume mehr lässt. Die weitaus erfolgreicheren Schwerpunktsetzungen anderer Länder zeigen, dass wir uns bei den Bildungsfragen, die der Kulminationspunkt von allem sind, von der Entwicklung in den OECD -Staaten abgekoppelt haben. Der Vorsitzende des Vorstands der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger, beschreibt in seinem Buch Dichter, Denker, Schulversager sehr eindringlich die Notwendigkeiten eines Kurswechsels.
    Doch wo sollen die Milliarden nun herkommen? Zum einen muss Einvernehmen darüber hergestellt werden, dass Deutschland mehr Geld in die Bildungspolitik investieren muss. Ich glaube, die Streitphase zu diesem Thema ist überwunden. Auf dem Bildungsgipfel 2008 wurde vereinbart, den Anteil der Bildungsausgaben bis 2015 auf 7   % (10   % für Bildung und Forschung) des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. 2008 lagen die Bildungsausgaben in Deutschland bei 4,9   %, der OECD -Durchschnitt bei 5,9   % und in Dänemark bei 7,4   %. Damit stehen wir auf Platz 30 von 36 Ländern, für die entsprechende Daten erhoben werden. Bei den Bildungsausgaben ist Deutschland also nach wie vor eindeutig unterbelichtet.
    Um das Ziel
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