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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition)
Autoren: Heinz Buschkowsky
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viele Plätze gebaut werden müssten. Zwei Tage später kam dann die Meldung, dass die Hypo Real Estate weitere 100 Milliarden Euro Risikoabschirmung benötigt. Der Commerzbank musste mit 18 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen werden. Die bundesweite Umstellung aller Schulen auf Ganztagsbetrieb kostet, nach Berechnungen des Bildungsexperten Klaus Klemm für die Bertelsmann Stiftung, bis 2020 jährlich zehn Milliarden Euro. Die SPD rechnet mit 20 Milliarden Euro inklusive der zusätzlichen Personalkosten. Wenn man, wie Peer Steinbrück 2006 meinte, für vier bis sechs Euro Kürzung des Kindergeldes die gesamte Vorschulerziehung in Deutschland kostenfrei anbieten könnte, dann dürfte diese Maßnahme mit etwa zwei Milliarden Euro zu Buche schlagen. Das ließe sich gut mit dem freiwerdenden Geld verrechnen, wenn die Herdprämie wieder eingestampft wird.
    Welche Maßnahme welchen Finanzbedarf im Einzelnen hervorruft, ist an dieser Stelle nicht von entscheidender Bedeutung. Für mich geht es vielmehr um einen Paradigmenwechsel bei der Bildungs- und Familienpolitik. Wir müssen unser Geld in eine Infrastruktur für Kinder und nicht in das Familienbudget stecken. Konkret bin ich für jedwede zusätzliche Förderung von Kindern. Aber als Sachleistungen und nicht in das Portemonnaie der Eltern. Beispiele hierfür sind gebührenfreie Krippen, Kindergärten, Ganztagsschulen, Mittagessen in den Schulen und Förderungen durch die Musikschule, die Sportvereine oder Nachhilfeunterricht. Ich fand die Idee von Ministerin von der Leyen mit einer Förder-Chipkarte für Kinder gut. Sie war nicht mehrheitsfähig, und der politische Kompromiss lautete dann BuT (Bildung und Teilhabe). Ein Bürokratiemonster zum Kindererschrecken. Das Ziel ist richtig erkannt, nur der Weg dorthin ist grottenschlecht.
    Sachleistungen suggerieren im ersten Augenblick, man würde den Eltern in die Tasche greifen wollen. Doch das trifft nicht zu. Die Eltern erhalten die Unterstützung lediglich auf eine andere Art. Es geht nicht darum, die Leistungen für Familien und Kinder zu kürzen, sondern es geht um ihren Ausbau, um ein stärkeres gesellschaftliches Engagement. Viele sagen, Kindergeld für Gutbetuchte solle abgeschafft werden. Wenn es denn rechtlich geht, habe ich damit kein Problem. Die direkte Alimentation jedoch noch zu erhöhen auf 320 Euro, wie die SPD es will, halte ich für den völlig falschen Weg. Kinder werden dadurch immer stärker zum Einkommensfaktor und zu einem Absicherungsfaktor gegen die Wechselfälle des Lebens. Das gilt im Allgemeinen, aber ganz besonders in den sozialen Brennpunkten.
    Bei der Finanzierungsdiskussion spielen natürlich auch sofort Steuererhöhungen eine Rolle. 1   % Mehrwertsteuer bringt acht Milliarden Euro, eine Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49   % mindestens fünf Milliarden Euro, und zusätzliche Besteuerung von Finanzgeschäften schlägt mit zweistelligen Milliardenbeträgen zu Buche. Wenn es denn gelingt, auf diese Art Geld für die Bildung herbeizuschaffen, nun gut. Die Erbschaftssteuer hatte ich noch übersehen. Die ist auch immer gut für Finanzierungsvorschläge. Das hat alles etwas von Robin Hood. Nimm den Reichen, gib den Armen.
    In Deutschland erhalten die Familien das dritthöchste Kindergeld innerhalb Europas. Nur die Schweiz und Luxemburg zahlen mehr. Insgesamt wendet die Gesellschaft für das Kindergeld und die korrespondierenden Steuerabschläge durch die Kinderfreibeträge bei der Einkommenssteuer jährlich rund 38 Milliarden Euro auf. Kürzte man diese Summe auf die Hälfte, bliebe ein spürbarer direkter Finanztransfer in die Familien erhalten, aber es würden jährlich 19 Milliarden Euro freigesetzt für den Aufbau eines neuen Bildungssystems. Ohne ungerechte Erhöhung der Mehrwertsteuer.
    Ich bin davon überzeugt, dass man dafür eine Mehrheit gewinnen könnte. Allerdings müsste über ein Stiftungs- oder Fondssystem sichergestellt werden, dass das Geld auch wirklich dort ankommt, wo es hin soll, und die Bildungsmaßnahmen auch tatsächlich stattfinden. Die Menschen sind der Politik gegenüber misstrauisch geworden. Mit dem Wegnehmen geht es immer schnell, nur mit dem Einhalten von Zusagen gibt es häufig Probleme, die weitschweifig erklärt werden. Das interessiert aber die Bürgerinnen und Bürger wenig.
    Es sind ja alles nur Gedankenspiele. Es besteht nicht die Gefahr, dass in unmittelbarer Zukunft tatsächlich etwas passiert. Es muss erst alles noch sehr viel schlimmer kommen.
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