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Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Titel: Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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HAMBURG SÜD
    D as ist kein Anfängerhusten. Alle paar Minuten kommt ein hässlicher alter Hofhund aus meinen Lungen gekrochen, und der rasselt beim Bellen ziemlich übel mit der Kette. Ich sollte im Bett liegen und eine Tasse Tee trinken, statt hier in HSV-Land rumzustehen und zwei alten Rednecks auf ihre zerschmetterten Köpfe zu kucken. Ich halte mir den Unterarm vor den Mund. Da ist er wieder. Der Hustenhund.
    »Sie sind krank«, sagt der Calabretta und nimmt mir die Zigarette weg.
    »Sie sollten endlich zum Arzt gehen«, sagt der Brückner. Er versucht, sehr streng zu kucken, als er das sagt. Geradezu gescheitelt. Huh, gleich hab ich Angst.
    »Sie will das nicht hören«, sagt der Schulle, »und das ist eine Frechheit. Ich hab auch schon die Pest am Hals.«
    Er fasst sich an den Kehlkopf und macht Altmännergeräusche.
    Jaja, denke ich und huste zu Ende. Es schmeckt ein bisschen nach Blut. Als der harte Hund meine Stimme wieder freigibt, sage ich: »Ihr könnt euch ja über mich beschweren. Kann ich meine Zigarette wiederhaben?«
    »Nein«, faucht der Calabretta. Er geht ins Nebenzimmer, um mit dem neuen Chef der Spurensicherung zu sprechen. Der Hollerieth und sein ewiger Bandscheibenvorfall sind in den heiligen Vorruhestand gegangen. Halleluja. Der Neue heißt Kessler. Talentierter junger Mann, modern und unaufgeregt. Schlanke eins achtzig groß, leicht hakige Nase im ansonsten ebenmäßigen Gesicht, redet nicht viel, aber wenn er was sagt, ist das nie Bullshit. Hätte er nicht so eine ambitionierte Frisur, so ein nach vorne gekämmtes, mit einem Haarstylingprodukt unterstütztes, topfiges Jungsding, für das er dann eigentlich schon wieder zu alt ist, weil so was am liebsten Vierzehnjährige tragen, ich fände ihn richtig super.
    Die Wohnung von Walt und Lorraine Tucker ist ein bisschen wie nach Hause kommen. Oder das, was mir bei der Beerdigung meines Vaters mal als Zuhause verkauft werden sollte: Hier sieht es genauso beschissen aus wie bei meiner Tante Grace und meinem Onkel Luke in Bellehaven, North Carolina. Der Holzfußboden ist dunkel lackiert, darauf liegen in wirrer Folge dicke Teppiche in bösen Farben wie Rostrot und Mintgrün. Die Tapeten an den Wänden sind vergilbt und waren vielleicht mal weiß oder gelb. Die Decke ist mit haselnussbraunen Holzkassetten verbaut. In der Mitte des Zimmers, genau vor dem riesigen Plasmabildschirm, steht ein geblümtes Sofa. Große Blumen. Sehr viele Pastellfarben. In der Ecke rechts vom Fernseher: ein alter brauner Waffenschrank, die Tür steht offen. Der Schrank ist mit einer Südstaatenflagge ausgeschlagen.
    »Darf man das?«, frage ich.
    »Was«, sagt der Brückner, »eine Rechtsaußenfahne haben?«
    »Seine Knarren in so einem ollen Schrank aufbewahren«, sage ich.
    »Ich würde beides verbieten«, sagt der Brückner.
    Links vom Fernseher wackelt ein Teewagen unter den Schritten der Kollegen. Der Teewagen musste bei den Tuckers als Bar herhalten, es stehen fünf schwere Kristallkaraffen darauf, alle eher halbleer als halbvoll. Ich tippe auf Bourbon.
    Außer nach Blut riecht es insgesamt sehr stark nach Alkohol, nach altem Staub und nach Frittenfett von vorgestern.
    Ich gehe einmal um das Sofa herum, damit ich mir die Tuckers in Ruhe anschauen kann. Von hier hinten kann ich nur sehen, dass die Kopfschüsse ziemliche Austrittswunden hinterlassen haben, machen wir uns nichts vor: Hackfleisch. Der Holzboden knarzt unter meinen Füßen.
    »Hoppla«, sage ich, als ich die zerschlagenen Gesichter der alten Leute sehe, »da hätte man aber gar nicht mehr unbedingt schießen müssen.«
    »Und dann auch noch mit einem offenbar ganz schön fetten Kaliber«, sagt der Schulle. »Hat was von Gewaltexzess, oder?«
    Ich muss husten. Der Schulle kuckt mich an, schüttelt den Kopf und geht dem Brückner hinterher, der sich auf den Weg durch die Wohnung gemacht hat. Der Calabretta steht mit den KTU-Leuten um den Schreibtisch im Arbeitszimmer rum. Da gibt’s wahrscheinlich die Munition zum Waffenschrank.
    Ich bleibe noch ein bisschen vor dem toten Ehepaar stehen. Das sieht nicht gut aus. Die matschigen Gesichter, das ganze Blut. Und auch sonst so. Zwei verdrehte alte Amis halt. Lorraines Klamotten – und soweit man das noch beurteilen kann, auch ihre Frisur – erinnern schlimm an die Miss-Ellie-Phase von Donna Reed. Alles ist irgendwie aufgetürmt und gerüscht und gepufft. Ihr Kleid oder Kittel oder Nachthemd ist apricotfarben. Ihre Pantoffeln sind aus weißem Plüsch. Und
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