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Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Titel: Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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schon dran verdienen.
    Ich kann das Haus, in dem die Tuckers gelebt haben, schon von weitem sehen. Vier Stockwerke Jugendstil, hellblau gestrichen. Abgeblätterte, früher mal weißlackierte schmiedeeiserne Balkone, der Stuck bröckelt. Das Haus steht auf der anderen Seite der S-Bahn-Schienen, abseits von den schmuddeligen Häuserblocks mit ihren traurigen kleinen Läden im Erdgeschoss. Ich muss nur an der Verlorenen-Seelen-Kneipe Zum alten Bahnhof vorbei und über eine pragmatische, ziemlich zugige Brücke laufen, zack, bin ich auch schon im Grünen und direkt vorm Tucker-Haus. Die Straße sieht aus, als würde sie direkt ins Alte Land mit seinen Apfelbäumen und Deichen führen. Aber wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass sie am Ende des Industriegebiets nur auf der Schnellstraße endet.
    Die Haustür hat kein Schloss mehr und ist so gut wie aus den Angeln gehoben, sie schwingt sofort auf, als ich leicht dagegentrete. Es ist heute dunkler im Haus als gestern. Kein Licht mehr von draußen. Das Licht versteckt sich hinter dickem Nebel. Ich bemerke den Faller erst, als wir uns auf der morschen Treppe in die Arme stolpern. Was macht der denn hier?
    »Was machen Sie denn hier?«
    Er zieht seinen Hut tiefer ins Gesicht, kuckt an mir vorbei, kuckt mich wieder an und sagt: »Äh …«
    Der überlegt tatsächlich, ob er mich anlügen soll.
    »Faller …«, sage ich.
    »Schon gut«, sagt er und steckt die Hände in die Manteltaschen. »Ich bin beruflich hier.«
    Der alte Schnüffler. Ich hätte nicht gedacht, dass er ernst macht mit seiner Detektei.
    Ich zünde zwei Zigaretten an und gebe ihm eine.
    »Ihr erster Job?«, frage ich.
    »Nein«, sagt er. »Der dritte.«
    »Wer hat Sie denn da jetzt so schnell rangesetzt? Die Tuckers sind ja noch nicht mal richtig kalt.«
    »Amy Tucker«, sagt er. »Die Nichte der beiden. Ihr Vater Keith war Walts Bruder.«
    »Und Miss Tucker traut uns nicht zu, dass wir das hier alleine hinkriegen?«
    »Das geht mich nichts an«, sagt der Faller und zieht an seiner Zigarette.
    Ich muss husten.
    »Hört sich ja grauenvoll an«, sagt er.
    »Halb so schlimm«, sage ich und ziehe schnell an meiner Kippe, damit der Blutgeschmack weggeht.
    »Sind Sie auf dem Weg in die Tucker-Wohnung?«, fragt er.
    »Nein«, sage ich, »ich wollte hier gerade einen Gebrauchtwagen kaufen.«
    Blöde Frage, Faller.
    »Nehmen Sie mich mit rein?«
    Diesen Blick, gleichzeitig souverän und unbekümmert, kann nur der Faller.
    »Hätten Sie früher einen Schnüffler mit in eine versiegelte Wohnung genommen?«, frage ich.
    »Niemals«, sagt er. Streng.
    »Okay«, sage ich, »kommen Sie mit.«
    Wir hangeln uns vorsichtig in den zweiten Stock. Ich frage mich, wie die alten Leutchen dieses Monster von Treppenhaus bewältigen konnten. Hinter mir kracht es. Dann knallt es. Der Faller stöhnt.
    »Verdammte Hacke«, sagt er, rappelt sich auf und klopft sich den Staub vom Knie. Eine der Holzstufen ist unter seinem Tritt zur Hälfte abgebrochen.
    »Wenn die Tuckers schlau waren, sind sie immer schön in ihrer Wohnung geblieben«, sagt er.
    »Und wenn«, sage ich. »Hätte ihnen am Ende ja auch nicht geholfen. Sind Sie okay, Faller?«
    »Jaja, geht schon.«
    Er klopft sich noch mal beide Hosenbeine ab, während ich mit meinem Schlüssel das Siegel an der Wohnungstür von Walt und Lorraine Tucker aufschlitze.
    Der Blutgeruch ist schon fast raus aus der Wohnung. Und auch sonst riecht es hier inzwischen mehr nach Herbstnebel als nach Menschen. Muss wohl jemand von den Kollegen das Fenster aufgemacht haben. Ich wusste gar nicht, dass von denen einer hausfrauliche Fähigkeiten hat.
    Der Faller und ich stehen relativ dumm im Flur rum. Es ist wirklich duster, aber ich will kein Licht anmachen. Das wäre mir schon zu offiziell. Wir sind ja eigentlich gar nicht zusammen hier.
    »Faller«, sage ich, »wir sind in unterschiedlichen Zimmern unterwegs, okay?«
    Der Faller knurrt und zieht Handschuhe an. Der alte Profi. Ich hab natürlich keine dabei.
    »Haben Sie für mich auch welche?«
    Er gibt mir ein Paar Einweg-Handschuhe und grinst in seinen Mantelkragen. Ich grinse zurück, muss ein bisschen husten und setze mich erst mal in die Küche. Die Küche der Tuckers hat überhaupt nichts Amerikanisches. Sie sieht aus wie die Küche einer Omi aus Wandsbek. Tischchen, kleine Spitzengardinen, Hängeschrank, Elektroherd, ein wackeliges Spülbecken, Baumellampe gehäkelt. Außer einer ziemlich beeindruckenden
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