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Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Titel: Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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keine offene TUBERKULOSE am Hacken.«
    »Es ist nur ein alter Husten«, sage ich.
    »Haben Sie in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut, Chas? Sie sehen aus wie ein verdammtes Gespenst.«
    Dafür muss ich nicht in den Spiegel schauen. Das weiß ich auch so. Ich fühle mich, als wäre ich notdürftig aus Butterbrotpapier zusammengebastelt. Ein schlechtes Staatsanwältinnen-Origami. Der Faller kuckt wieder aus dem Fenster. Nebel. Strommasten. Eisenbahnschienen. Ganz dahinten, nordöstlich von hier, im düsteren Novemberdunst, der Hafen. Die Kräne kann ich sogar von hier sehen. Gleich oben am Himmel krächzen ein paar Möwen. Je kälter es wird, desto mehr entfernen sie sich vom Wasser und machen sich auf in die Wohngebiete. Je näher der Winter rückt, desto näher kommen sie. Ich glaube, das ist letztlich überhaupt das Einzige, was ich am Winter mag. Die Möwen in den Straßen.
    Ich muss noch mal husten, der Faller sagt »Mein Gott, Chastity« und geht an mir vorbei ins Schlafzimmer.
    Ich weiß doch auch nicht.
    *
    Ich hab die Wohnung wieder versiegelt, der Faller hat mich mit in die Stadt genommen und einen Umweg übers Präsidium gemacht. Ich will wissen, wie weit der Calabretta und die Kollegen sind.
    »Wann wollen Sie eigentlich mal damit aufhören, sich in die Polizeiarbeit einzumischen?«, hat der Faller mich noch gefragt. Ich hab gesagt, dass das ja genau der Richtige fragt. Und dass ich damit aufhöre, wann ich will. Und dass die Jungs chronisch überarbeitet sind, seit er in Frührente gegangen ist. Die Stelle ist ja nie wieder neu besetzt worden.
    Ich habe zwar gehört, dass sich das demnächst ändern soll, aber das muss der Faller ja erst mal nicht erfahren.
    Auf dem Weg zu den Büros der Kollegen haut mich ein Husten aus den Socken. Es hört nicht mehr auf, es schmeckt nach Blut, mir wird schwindelig. Ich muss mich hinsetzen. Ich muss mich hinlegen. Das Letzte, was ich sehe, ist die grauweiß gestrichene Decke in den sternförmig angeordneten Fluren des Polizeipräsidiums. Dann krieche ich im Dunkeln weiter.
    *
    Ich schlage ziemlich zerknittert beim Calabretta auf. Die Besprechung mit der KTU und den Pathologen ist längst vorbei. Ich hab die letzten zwei Stunden auf den Fliesen einer Damentoilette verbracht, da hab ich’s gerade noch hingeschafft. Ich sage leise:
    »’tschuldigung, Calabretta, ich bin wohl doch krank, ich …«
    Ich hab nicht gesehen, dass der Calabretta telefoniert. Er legt die Hand kurz auf den Hörer.
    »Chef«, sagt er leise, »wo waren Sie denn?«
    »Hatte zu tun«, sage ich und räuspere mich.
    Er nimmt mich am Mantelärmel, zieht mich auf den Stuhl neben sich, beendet sein Telefonat und mustert mich. Er weiß, dass irgendwas ist. Er sagt nichts.
    »Und?«, frage ich.
    »Also, die Spurensicherung sagt, wir suchen nach zwei Tätern. Geprügelt wurde mit Gummiknüppeln, geschossen ja mit Walt Tuckers altem Smith &Wesson-Revolver 38er Special. Tucker war bei der Armee gewesen, in der Nähe von Darmstadt stationiert. Der kommt aus Ihrer Ecke, Chef … alles okay bei Ihnen? Ich finde, Sie sind sehr blass heute.«
    »Ich bin okay«, sage ich, »machen Sie sich mal keine Sorgen. Zigarette?«
    Ich halte ihm eine von meinen Luckies hin.
    »Nee danke«, sagt er, »ich glaub, ich hör langsam auf mit dem Scheiß.«
    Ich ziehe eine Augenbraue hoch, sage aber nichts. Das nervt mich, dass alle Welt mit dem Rauchen aufhören will. Wenn demnächst auch noch der Faller die Kippen wegschmeißt, kann ich mich echt erschießen. Na ja. Kann ich vielleicht sowieso.
    »Die Tuckers sind nach dem Abzug der Amerikaner in Deutschland geblieben«, sagt der Calabretta. »Lorraine hatte eine enge Verbindung zu einer merkwürdigen fundamentalistischen Kirchengemeinde in Altona aufgebaut, und Walt hatte die Möglichkeit, hier bei einer Security-Firma anzuheuern, die ihre Leute damals unter den ehemaligen GIs rekrutiert haben. Als die beiden nach Hamburg gekommen sind, hat Walts Firma ihnen die Wohnung in Wilhelmsburg besorgt, und da sind sie dann auch geblieben, die haben hier nie woanders gewohnt. Lorraine ist regelmäßig über die Elbe zu ihren Fundi-Leuten gefahren, Walt hat Industrie und Gewerbe im gesamten Hamburger Süden bewacht. Nebenbei hat er geballert wie blöde, war fast jeden Abend im Schießkeller in seinem Schützenverein.«
    Kirche, Objektschutz, Schießübungen.
    Mir wird ein bisschen kalt.
    »Irgendwie sah das bei denen auch exakt genau so aus, oder?«, frage ich.
    Es tut gut, neben
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