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Nesthäkchen 02 - Nesthäkchens erstes Schuljahr

Nesthäkchen 02 - Nesthäkchens erstes Schuljahr

Titel: Nesthäkchen 02 - Nesthäkchens erstes Schuljahr
Autoren: Else Ury
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Polizei.
    »Ach, Herr Schutzmann«, bat die Kleine schüchtern und machte einen Knicks, »wollen Sie nicht so gut sein und mir meine Zensur mal vorlesen?«
    Der Schutzmann schmunzelte. Mancherlei war ihm schon in seinem schweren Amte zugemutet worden, aber das doch noch nicht. Belustigt sah er auf den reizenden, kleinen Blondkopf, der noch nicht einmal seine Zensur selbst lesen konnte.
    »Gern, Kleine«, sagte er so freundlich, daß bei Nesthäkchen jede Furcht schwand. Dann las er ihr das Zeugnis vor.
    »So viele, Sehr gut'!« rief Annemarie dazwischen und hopste vor Begeisterung um den Schutzmann herum. Freilich, im Schreiben hatte sie nur genügend. Als aber der Schutzmann las »Handarbeiten: mangelhaft, zuletzt besser«, rief das kleine Mädchen eifrig: »Jetzt kann ich schon stricken, ich hab's bei meiner Großmama gelernt. Und weil Sie so nett zu mir waren, Herr Schutzmann, werde ich Ihnen ein Paar Strümpfe stricken.«
    Da lachte der Schutzmann trotz seiner Würde ganz laut, und die Vorübergehenden, die sich um die beiden allmählich gesammelt hatten, lachten alle mit. Der Polizist gab Annemarie ihr Zeugnis zurück. »Na, du hast ja eine sehr schöne Zensur!« sagte er dabei.
    »Wirklich?« Vor Nesthäkchens leuchtenden Augen stieg plötzlich die schon verlorengegebene Kindergesellschaft wieder verheißungsvoll auf.
    In diesem Augenblick stand Fräulein Lena hinter der Kleinen. Sie hatte Nesthäkchen im Vorübergehen mitten in dem Menschenhaufen entdeckt.
    »Der Herr Schutzmann hat gesagt, meine Zensur wäre sehr schön, Fräulein, und ein Schutzmann muß das doch wissen, nicht?« begann die Kleine das heikle Thema.
    ,Ja, ist sie denn nicht gut?« fragte das Fräulein und griff nach dem Blatt.
    »Aber Annemarie, Vierte bist du geworden, drei Plätze heruntergekommen? Und was steht denn hier unten bei Haltung der Hefte und Bücher? 'Annemarie muß sich größerer Sauberkeit befleißigen.' Schämst du dich nicht, Kind!«
    »Das hat der Herr Schutzmann gar nicht vorgelesen, und er hat doch gesagt, meine Zensur sei sehr gut«, verteidigte sich die Kleine.
    Eine Weile gingen die beiden schweigend nebeneinander her. »Fräulein, glaubst du, daß man als Vierte auch noch eine Kindergesellschaft geben kann?« erkundigte sich Nesthäkchen, nachdem es selbst schon eine ganze Weile über diesen Punkt nachgedacht hatte.
    »Das schlag dir nur aus dem Sinn«, lautete die wenig tröstliche Antwort.
    »Mutti wird nicht gerade erbaut von deiner Zensur sein.«
    Mutti war in der Tat nicht sehr erbaut von der ersten Zensur ihres Nesthäkchens.
    »Ich habe doch aber so oft 'Sehr gut'», wandte die Kleine mit zuckenden Lippen auf Muttis Vorhaltungen ein. »Und der Schutzmann hat doch gesagt, meine Zensur sei sehr schön, dann muß ich doch auch zur Belohnung eine Kindergesellschaft geben dürfen.« Nesthäkchen verzog weinerlich den Mund.
    »Nein, mein Kind, für diesmal hast du jede Belohnung verwirkt. Aber wenn ich sehe, daß du bis Weihnachten bemüht bist, deinen Fehler abzulegen und achtsam mit deinen Sachen umzugehen, erlaube ich es dir vielleicht in den Weihnachtsferien.« Gegen diesen bestimmten Ton Muttis nützte alles Bitten nichts, das wußte Klein-Annemarie.
    Die Brüder, die aus der Schule kamen, sahen gleich, was die Glocke geschlagen hatte. Hans streichelte mitleidig Nesthäkchens tief gesenktes Köpfchen. Klaus aber begann sie zu foppen.
    »Schmierfink - Schmierfinkchen!« rief er.
    Dabei hatte Klaus doch ganz und gar keinen Grund, sich so lustig zu machen. Das Zeugnis, das er selbst mit heimgebracht, war so jämmerlich, daß Mutti ihm ernstlich drohte: »Ist die Zensur das nächste Mal nicht besser, Klaus, geben wir dich in eine strenge Pension.« Das machte Eindruck auf den Schlingel, denn fort von Haus, von Vater und Mutter und den Geschwistern, das mochte er trotz all seiner wilden Streiche nicht.
    Nur Hans hatte den Eltern Freude bereitet. Vater allerdings war ja auch mit der Zensur von seiner Lotte ganz zufrieden. Sie war doch noch solch ein kleines Ding und mußte sich erst an die Anforderungen der Schule gewöhnen. Aber er stimmte der Mutter bei, daß Nesthäkchen es lernen mußte, mit ihren Sachen ordentlich umzugehen.
    »Ihr habt's gut, Kinder«, sagte Annemarie zu ihren Puppen, die erstaunt die betrübte Miene der sonst immer fröhlichen Kleinen sahen. »Ihr kriegt keine Zensur und keine Schelte!« Sie schmiegte das heiße, noch tränenfeuchte Gesicht an Gerdas kühle Wangen.
    »Bessere dich doch, werde
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