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Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Titel: Nelson, das Weihnachtskaetzchen
Autoren: Hannes Steinbach
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Stoffmantel mit einem Pelzkragen, auf den ihre silbergrauen Locken weich herabfielen.
    Arthur machte große Augen. »Woher …?«
    Woher kennen Sie meinen Namen?, hatte er fragen wollen. Doch er konnte sich die Antwort selbst geben. In einem kleinen Kästchen auf dem Verkaufstresen steckten seine Visitenkarten. Sie musste beim letzten Mal eine davon eingesteckt haben. Arthur war ziemlich überrumpelt.
    »Ja … ähm … guten Morgen.«
    Sie redete unbekümmert drauflos. »Es war ganz schön kalt gestern Nacht, nicht wahr? Wenn das so weitergeht, kommt bald der erste Schnee. Wäre das nicht wunderbar ?«
    Arthur erholte sich langsam von seinem ersten Schreck. Er wurde ärgerlich. Was dachte sich denn diese Frau dabei, ihn so zu überfallen? Hatte er nicht beim letzten Mal klar und deutlich zu verstehen gegeben, was er von Freundschaften unter Schaustellern hielt? Er wollte hier keine Kontakte, und damit basta. Das hatte sie doch wohl verstanden.
    »Was wollen Sie von mir?«, bellte er.
    Sie schien sich von seinem Ton nicht beeindrucken zu lassen. »Gar nichts Besonderes«, erwiderte sie freundlich. »Nur ein bisschen plaudern. Ich bin viel zu früh, es dauert noch eine Weile bis zur ersten Märchenstunde. Ich dachte, vielleicht erzählen Sie mir ein bisschen was über Ihre Figuren? Sie sind so schön. Ich würde gerne mehr über sie erfahren. Wie sie entstehen, zum Beispiel.«
    Arthur spürte, wie sich seine Brust verengte. Was bildete sich diese Märchenerzählerin bloß ein? Er kannte sie doch gar nicht. Eine wirklich impertinente Person!
    »Ich bin nicht dafür da, Ihnen die Zeit zu vertreiben«, sagte er. »Wenn Sie eine Figur kaufen wollen, bitte schön. Zu mehr bin ich aber nicht verpflichtet.«
    Sie schien gar nicht wütend darüber zu sein, so unfreundlich behandelt zu werden. Eher wirkte sie ein wenig enttäuscht. »Mein lieber Arthur Hu…«
    »Für Sie immer noch Herr Hummel, wenn ich bitten darf!« Er machte es sich bequem und nahm seine Zeitung. »Und wenn weiter nichts ist, würde ich gern Zeitung lesen.«
    Sie seufzte. Ihr Lächeln wirkte auf eine seltsame Weise so, als hätte sie Mitleid mit ihm.
    »Wenn Sie das möchten, gehe ich natürlich«, sagte sie. Doch bevor sie verschwand, fügte sie hinzu: »Aber ich lasse mich nicht von Ihnen täuschen, Herr Hummel.« Sie deutete auf seine Verkaufsauslagen. »Wer so schöne Figuren erschafft, der ist kein schlechter Mensch. Da können Sie mir nichts vormachen. Auf Wiedersehen.«
    Und damit ließ sie ihn stehen.
    Arthur war völlig verdattert. Natürlich war er kein schlechter Mensch. Er wollte nur seine Ruhe haben. Es war besser, wenn er andere Menschen nicht zu nah an sich heranließ. Am Ende würden sie ihn doch nur enttäuschen. Oder sie würden ihn wieder alleine lassen. Besser, er hielt Abstand. Dann konnte auch nichts passieren.
    Er dachte an seine verstorbene Frau. Ach, Sophie! Du hast immer gewusst, wie man mit anderen Menschen spricht. Wärst du doch nur hier, dann sähe alles anders aus.
    Das Öfchen war inzwischen heiß geworden, und er setzte sich mit seiner Zeitung daneben. Von Zeit zu Zeit tauchten Marktbesucher auf, die sich für seine Figuren interessierten. Am Mittag hatte er bereits drei Figuren verkauft. Es lief gut, so konnte es gern weitergehen.
    Irgendwann kam ein japanischer Geschäftsmann, der sich für einen ganzen Krippensatz interessierte. Da ging es um sehr viel Geld. Arthur stand von seinem Sessel auf, faltete die Decke zusammen und ging um den Stand herum, um dem Mann alles in Ruhe erklären zu können. Am Ende kam der Kauf zwar doch nicht zustande, aber Arthur störte das nicht. Vielleicht würde der Mann ja noch einmal wiederkommen.
    Er kletterte wieder in seinen Stand. Auf der Decke, die er neben das Öfchen gelegt hatte, saß die Katze. Sie hatte sich in seinen Stand geschlichen, während er draußen gewesen war. Wieder blickte sie Arthur mit großen Augen an, den Körper unter Spannung, um jeden Moment aufspringen und weglaufen zu können.
    Sie sah schlechter aus als beim letzten Mal. Offenbar hatte sie nicht viel zu fressen bekommen. Arthur zögerte. Er wollte keine Katze bei sich haben. Sie sollte zurück zu ihrem Besitzer gehen. Doch so ausgehungert, wie sie war, fiel es ihm schwer, sie hinaus in die Kälte zu jagen.
    Mürrisch betrachtete er das Tier. Dann umrundete er vorsichtig den Ofen und setzte sich wieder auf seinen Sessel. Die Katze blieb unbewegt auf der Decke am Boden, ließ Arthur jedoch nicht aus den Augen.
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