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Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Titel: Nelson, das Weihnachtskaetzchen
Autoren: Hannes Steinbach
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die Haselnussmakronen zuzubereiten. Das waren immer die ersten Plätzchen, die sie machte. Zwölf unterschiedliche Plätzchen würden es am Ende werden, die nostalgischen Blechdosen standen schon bereit. Heute würde sie nur die erste Hälfte backen. Den Rest würde sie sich für einen anderen Tag aufheben, denn vielleicht hatte Laura ja in der nächsten Woche mehr Lust, sich an der Weihnachtsbäckerei zu beteiligen .
    Ihr Blick fiel durchs Fenster nach draußen. Im grauen Nachmittagsdunst lag hell erleuchtet das Haus der Grünbergs. Nelson war noch immer verschwunden. Dorothee Grünberg hatte den Urlaub zunächst umbuchen wollen. Sie hatte die Hoffnung gehabt, ohne zu großen finanziellen Verlust ein paar Tage später fliegen zu können. Aber da keiner sagen konnte, wann Nelson wieder auftauchen würde – und ob er überhaupt je zurückkäme –, hatte Dorothee den Urlaub schließlich ganz abgesagt. Die Familie würde über Weihnachten in Berlin bleiben.
    Dorothee und Bernd Grünberg versuchten, nicht Marie die Schuld für den ausgefallenen Urlaub zu geben, das konnte Anna ihnen anmerken. Doch es fiel ihnen sichtlich schwer. Sie hatten sich das ganze Jahr über auf die Kanarischen Inseln gefreut, und nun kam so ein blödes Haustier dazwischen und machte alles zunichte. Ganz zu schweigen von den Stornogebühren, die auf sie zukamen.
    Anna hatte sich aktiv in die Suche eingeschaltet. Dorothee war das ganz recht gewesen, so konnte sie sich um andere Dinge kümmern. Zuerst hatte Anna gemeinsam mit Marie die Tierheime abtelefoniert. Aber Nelson war nirgendwo abgegeben worden. Sie waren zur Apotheke am Alexanderplatz gefahren, wo Nelson verschwunden war, und hatten sich dort ein bisschen umgesehen. Aber Anna hatte schon vorher geahnt, dass nicht viel dabei herauskommen würde. Die Apotheke lag an einer mehrspurigen, stark befahrenen Straße und schräg gegenüber von einer riesigen Kreuzung, über die in dichtem Abstand Straßenbahnen donnerten. Wenn Nelson sich immer noch dort aufhielt, waren seine Überlebenschancen gleich Null.
    Anna fragte sich, ob es inzwischen etwas Neues gab. Heute hatte sie noch gar nicht mit Marie gesprochen, und sie beschloss, später zu den Grünbergs hinüberzugehen und sich zu erkundigen. Sie öffnete den Ofen und schob das Blech mit den Makronen hinein. Als Nächstes war der Teig für die Vanillekipferl dran.
    Nach einer Weile ging sie nach draußen, um eine Schüssel mit Eier- und Nussschalen zum Kompost zu bringen. Die klare kalte Luft tat ihr gut. Sie blickte wieder hinüber zum Haus der Grünbergs. Oben im Kinderzimmer sah sie Marie auf der Fensterbank sitzen. Traurig und reglos starrte sie vor sich hin. Anna dachte an das Versprechen, das sie Marie so leichtfertig gegeben hatte. Es war nicht richtig gewesen, dem Mädchen solche Hoffnungen zu machen. Sie fühlte sich schuldig.
    Mit schwerem Herzen ging sie zurück in die Küche. Sie hielt inne. Die blöde Weihnachtsbäckerei konnte ihr doch im Grunde egal sein. Es interessierte sich ohnehin niemand dafür. Also fasste sie einen Entschluss. Sie zog das Blech mit den mittlerweile fertigen Makronen aus dem Ofen, schaltete diesen aus, nahm dann ihren Mantel und ging hinüber zu den Grünbergs.
    Dorothee öffnete ihr die Tür. Sie wirkte abgekämpft und müde.
    »Ach, du bist das«, sagte sie. »Komm doch herein.«
    »Ich will gar nicht lange stören. Eigentlich bin ich nur gekommen, um zu hören, ob es Neuigkeiten von Nelson gibt.«
    »Nein, leider nicht.« Dorothee blickte nach oben, wie um sicherzugehen, dass Marie sie nicht belauschte. »Und wenn ich ehrlich bin, Anna, glaub ich auch nicht, dass wir noch etwas hören werden.«
    »Du meinst, er ist tot?«
    »Seien wir realistisch: Es würde an ein Wunder grenzen, wenn Nelson nicht überfahren worden ist.«
    Anna dachte an das Versprechen, das sie Marie gegeben hatte.
    »Ich wäre mir da nicht so sicher, dass er tot ist«, sagte sie hoffnungsvoll. »Er hat doch diesen implantierten Chip. Jeder Tierarzt hätte den unter seiner Haut gefunden und euch sofort angerufen.«
    »Falls sein Kadaver überhaupt zu einem Tierarzt gebracht worden ist. Und selbst wenn Nelson nicht tot ist … dann hat ihn jemand bei sich aufgenommen. Denn sonst wäre er doch irgendwo aufgetaucht.«
    »Es wird Marie das Herz brechen«, sagte Anna leise.
    Dorothee sah wieder hinauf zum Kinderzimmer und nickte.
    Anna dachte nach. Marie musste abgelenkt werden. Einfach nur dazusitzen und zu warten war für ein Kind in
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