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Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Titel: Nelson, das Weihnachtskaetzchen
Autoren: Hannes Steinbach
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Falls er es sich anders überlegen sollte, würde sie blitzschnell fliehen. Doch er überlegte es sich nicht anders, sondern ließ sie gewähren.
    Solange die Katze nichts anstellte, störte sie ja nicht. Also wollte er sie erst einmal in Ruhe lassen. Sie würde schon von allein wieder verschwinden.
    Nach Einbruch der Dunkelheit füllte sich der Weihnachtsmarkt. In den schmalen Gassen entstand beinahe Gedränge. Die meisten Leute schauten bloß, gekauft wurde wenig. So war das immer an den ersten Tagen. Arthur saß in seinem Stand und hing seinen Gedanken nach. Die fremde Katze lag derweil auf der Decke neben dem Öfchen und döste.
    Eine Stimme riss ihn aus den Gedanken.
    »Mama! Papa! Kommt schnell! Guckt euch die Figuren an!«
    Ein etwa zehnjähriges Mädchen tauchte am Stand auf. Mit leuchtenden Augen betrachtete es die Schnitzereien. Es war so gebannt davon, dass es Arthur selbst gar nicht bemerkte. Der freute sich über die Begeisterung des Mädchens. Kinder hatten einen eigenen Blick auf die Dinge. Sie sahen mit dem Herzen.
    »Sie sind so schön, seht doch!«, sagte sie. »Stellt euch vor, wir hätten zu Hause so eine Krippe, mit solchen Figuren!«
    Die Eltern waren hinter ihr aufgetaucht und blickten lächelnd zu ihrer Tochter herab.
    »Wir haben doch schon eine Krippe mit allem Drum und Dran«, sagte der Vater. Er suchte Arthurs Blick und nickte ihm freundlich zu.
    »Komm, Schatz, gehen wir zu den gebrannten Mandeln«, sagte die Mutter. Sie legte ihrer Tochter die Hand auf die Schulter. »Ich habe dir doch ein Tütchen versprochen.«
    »Aber die sind so schön«, sagte sie bedauernd.
    Der Vater senkte die Stimme. »Hör zu, mein Sonnenschein, du weißt doch, wir können uns so etwas nicht leisten. Aber unsere Krippe ist ja auch schön, oder nicht?«
    Die Kleine nickte tapfer. »Ich möchte mir die Figuren nur noch ein bisschen angucken.«
    Der Vater nickte und wuschelte ihr durch die Haare. »Natürlich, Schatz.«
    Arthur spürte einen Stich und erinnerte sich an seine eigene kleine Familie vor gut dreißig Jahren. Drehte man die Uhr zurück, hätten sie wohl ein ähnliches Bild abgegeben. Er, seine Frau und seine kleine Tochter. Was waren das für Zeiten gewesen! Hätte er damals gewusst, dass es die glücklichsten Jahre seines Lebens wären, hätte er sie sicherlich bewusster genossen.
    Die kleine Familie schlenderte irgendwann weiter und tauchte in der Menge ab. Arthur fühlte sich plötzlich unendlich traurig. Er war allein übrig geblieben, der Rest seiner Familie war fort. Das hätte er sich damals nicht träumen lassen.
    Wie es wohl seiner Tochter ging? Sie hatten sich schon seit Jahren nicht mehr gesprochen. Arthur dachte an den furchtbaren Streit, den sie gehabt hatten. Da war alles zerbrochen, und keiner hatte das danach noch reparieren können.
    Ein Maunzen ertönte. Arthur blickte sich um. Die Katze sah ihn mit großen Augen an. Sie miaute wieder, es war ein intensiver und herzzerreißender Laut. Arthur runzelte die Stirn. Spürte sie etwa, was er gerade fühlte? Das war doch unmöglich.
    Er fixierte das kleine Tier. Es war völlig ausgehungert. Kein Wunder, dass es solch traurige Laute von sich gab. Das hatte tatsächlich nichts mit ihm zu tun, was hatte er denn gedacht? Er griff zu seiner Tasche. Am Morgen hatte er sich zu Hause Wurststullen geschmiert. Er überlegte. Die Brote würden ihm auch ohne Aufschnitt schmecken. Also zog er sie hervor, klappte gleich das erste auseinander, nahm die Wurstscheibe herunter und legte sie an den Rand der Decke. Die Katze stürzte sich sofort darauf und schlang sie hinunter. Arthur lächelte. Er zog die nächste Wurstscheibe vom Brot.
    So aßen sie gemeinsam. Arthur die trockenen Brote, die er mit etwas Tee hinunterspülte, und die Katze die ganze Wurst, die auf den Broten gewesen war. Anschließend leerte Arthur noch eines seiner Holzschälchen, putzte es aus, stellte es vor die Katze auf den Boden und goss etwas von der Milch hinein, die er sich für seinen Kaffee mitgenommen hatte. Er achtete sorgsam darauf, dass nicht diese Märchenerzählerin oder jemand anderes in der Nähe war und ihn beobachtete. Diese Blöße wollte er sich nicht geben. Dann setzte er sich wieder in seinen Sessel und sah zufrieden hinaus auf die Verkaufsstände. Es tat gut, mal wieder in Gesellschaft zu essen.
    Plötzlich passierte etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Nachdem die Katze ihre Mahlzeit verspeist hatte, war sie aufgestanden, um ihm um die Beine zu streichen. Sie
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